Radiogeschichten

Literarisches Österreich: Kärnten. "Drei Wege zum See". Von Ingeborg Bachmann. Es liest: Petra Morzé. Gestaltung: Edith-Ulla Gasser

Eine "gefallene Lyrikerin" nannte der einflussreiche Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki die Kärntner Autorin Ingeborg Bachmann, als diese sich, nach mehreren gefeierten Gedichtbänden, auf das Schreiben von Prosa verlegte. Und sie selbst sagte: "Ich habe aufgehört, Gedichte zu schreiben, als mir der Verdacht kam, ich ,könne' jetzt Gedichte schreiben".
Der frühe Tod Ingeborg Bachmanns mit nur 47 Jahren begrenzte jedoch ihre Prosaveröffentlichungen auf 2 Erzählbände sowie den Roman "Malina", der der erste Teil einer Trilogie mit dem Titel "Todesarten" sein sollte. Im epischen Spätwerk, von dem noch viele Tausend Seiten aus dem Nachlass der Veröffentlichung harren, erweist sich Ingeborg Bachmann als eine Autorin, die nach neuen weiblichen Lebensformen suchte. Nicht zuletzt ihr eigener tragischer Tod nach Jahren der Medikamentenabhängigkeit zeigt, dass die Dichterin um mindestens eine Frauengeneration zu früh dran war, um diese Lebensentwürfe auch für sich selbst verwirklichen zu können.
In der Erzählung "Drei Wege zum See", die 1972, ein Jahr vor Ingeborg Bachmanns Tod, in ihrem zweiten Prosaband "Simultan" erschien, geht die Dichterin zurück in ihre Heimatstadt Klagenfurt. Als unverkennbar autobiographisch geprägte Figur besucht die erfolgreiche Fotoreporterin Elisabeth Matrei ihren alten Vater in seinem kleinen Haus am Stadtrand. Die aus der Jugend wohlvertrauten Spazierwege zum Wörthersee werden für Elisabeth zum Hintergrund für eine Reihe an Rückblenden, in denen sie ihr glamouröses, aber auch gehetztes Leben in den europäischen Großstädten reflektiert. Auch die Beziehung zu Elisabeths in London lebendem jüngerem Bruder Robert und dessen Frau wird thematisiert.
In unruhig hin- und herspringenden Rückblenden steht den zehn Tagen des Aufenthalts in Klagenfurt das ganze bisherige Leben der Protagonistin gegenüber. Immer mehr zeigt sich dabei, dass das merkwürdig widersprüchliche Heimwehgefühl Elisabeths einer Sehnsucht nach ruhigeren und erfüllenderen menschlichen Beziehungen entspricht.
Von Michael Haneke 1976 verfilmt, bietet die Erzählung "Drei Wege zum See" einen tiefen Einblick in das Lebensgefühl und die literarischen Ambitionen Ingeborg Bachmanns.

Service

Ingeborg Bachmann, "Drei Wege zum See", in "Simultan", Piper, 1991

Sendereihe

Gestaltung

  • Edith-Ulla Gasser