Daniel Landau über Klang und Stille

6. Mai 2017, 06:56

Musikstücke kann man analysieren, sie in ihre kleinsten Bestandteile zerlegen. Man kann also Motiv und Thema betrachten, man kann die Tonarten bestimmen, trefflich darüber diskutieren, welches konkrete Tempo der Komponist zum Beispiel mit einem Largo gemeint haben könnte.

Man kann Musik auch als eine Art Gespräch verstehen, als ein Zusammenspiel von Fragen und Antworten. Diese Betrachtungsweise lässt sich besonders häufig bei kirchlicher Musik finden. In der Tat liegen hier die Wurzeln oftmals im Gespräch mit Gott oder auch der Gläubigen untereinander.

Ich selbst denke auch bei manchen Musikstücken an den Ablauf so eines Gespräches. Wenn ich klassische Musik höre, sie spielen oder dirigieren darf. An die Frage, eine Antwort, dann vielleicht noch eine Rückfrage, bereits etwas ungeduldiger, weil man gleichsam mit der Antwort nicht zufrieden ist. Da gibt es viele Muster.

Eines meiner diesbezüglichen Lieblingswerke ist das Doppelkonzert für zwei Violinen von Johann Sebastian Bach in d-moll. Alle drei Sätze haben, was das Verhältnis der Stimmen angeht, einen fugenartigen Charakter. Also folgen dem Prinzip eines Kanons. Im wunderschönen Mittelsatz, diesem Largo, tritt für mich eine Art inniges Gespräch hinzu. Es strömt die Musik für mich immer wieder förmlich von irgendwo hoch oben herbei. Im herrlichen Wechselspiel der beiden Violinen ergeben sich daraus Fragen und Antworten. Selbst unabhängig davon, woran auch immer man glaubt, oder ob überhaupt, hier drängt sich mir die Gewissheit um die Existenz einer Art höherer Instanz auf. Für mich sind dies Gespräche mit Gott. Mit einem Gott, der ewig liebt und mich damit berührt.

...oder, mit Christian Morgenstern: Gespräch ist gegenseitige distanzierte Berührung.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler