ORF/JOSEPH SCHIMMER
Radiokolleg - Zwischen Romantik und Kalkül
Eine kleine Geschichte der Partnersuche (1). Gestaltung: Günter Kaindlstorfer
21. August 2017, 09:05
Sie sind die meistbegehrten Menschen der Welt: Mr. Right und Lady Perfect. Auf Speed-Dating Events und Partnersuchportalen im Internet tummeln sich Millionen Glückssuchende, um den oder die Richtige zu finden.
Aber nach welchen Kriterien wählen wir unsere Liebespartner aus? Sind es wirklich immer Gegensätze, die sich anziehen? Oder gilt vielmehr das Motto: Gleich und Gleich gesellt sich gern? "Wir können es uns nicht aussuchen, mit wem wir zusammen sind", meint die Paartherapeutin Renate Hutterer-Krisch: "Wenn ihnen ein Mensch vorgestellt wird, spüren Sie genau, ob Sie sich angezogen fühlen oder nicht. Das ist ziemlich unabhängig davon, was Sie sich denken oder wollen, wir haben da nicht viele Wahlmöglichkeiten".
Der Wiener Verhaltensbiologe Karl Grammer hat die Gesetzmäßigkeiten erforscht, nach denen sexuelle Anziehung funktioniert. Der 67-Jährige kommt zu einem klaren Befund: Attraktiv finden wir vor allem Männer und Frauen, die uns in ihren Eigenschaften und Gewohnheiten so ähnlich wie möglich sind. "Es gibt laut Studien keine einzige Gegensätzlichkeit, die sich anzieht", so Grammer: "Das macht auch Sinn im Bereich des täglichen Lebens: Je ähnlicher Ihnen jemand ist, umso weniger Konflikte haben Sie. Gegensätze tun sich wunderbar darin, sich jeden Tag zu streiten. Ob das Ei jetzt von der Spitze aufgeschlagen wird oder von der runden Seite: Wenn beide die Spitze wählen, gibt es keinen Konflikt".
Die romantische Liebe, nach der sich heute so viele sehnen, ist kein natürliches Bedürfnis des Menschen, sondern eine historische Konstruktion, erfunden in den Minne-Konzeptionen des Mittelalters und schwärmerischen Erfolgsromanen des Sturm-und-Drang-Zeitalters. Jahrhundertelang wurden Ehen vor allem arrangiert - unabhängig davon, was Braut und Bräutigam füreinander empfanden. Die Liebe, so war man überzeugt, würde sich dann im Lauf der Zeit von selber einstellen.
Andererseits: "Die Suche nach dem romantischen Ideal-Partner ist keineswegs nur eine Erscheinung unserer heutigen Zeit", schreibt die Münchner Kulturwissenschafterin Annegret Braun in ihrem Buch "Mr. Right und Lady Perfect": "Nur die Vorstellung davon hat sich im Lauf der Jahrhunderte geändert. Träumt eine Frau heute von Brad Pitt, so schwärmte früher eine Magd für den Bauernsohn - unerreichbar in beiden Fällen. Und schließlich die Erfahrung: Das Glück liegt oft woanders, als man sucht".
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LITERATUR:
Annegret Braun: "Mr. Right und Lady Perfect - Von alten Jungfern, neuen Singles und der großen Liebe", Lambert Schneider Verlag, Darmstadt, 232 Seiten, ISBN-13: 9783650401953
Sabine und Roland Bösel: "Leih mir dein Ohr, und ich schenk dir mein Herz", Orac-Verlag, Wien, 192 Seiten, ISBN-13: 9783701505296
Eva Illouz: "Warum Liebe weh tut - Eine soziologische Erklärung", Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, aus dem Englischen von Michael Adrian, 464 Seiten, ISBN-13: 9783518467077