Arzt untersucht Muskeln eines Patienten

DPA/Britta Pedersen

Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Eine Entdeckungsreise durch die wundersame Welt der Faszien

Was uns im Innersten zusammenhält

Seit etwa zwei, drei Jahren ist der Begriff in aller Munde - und nicht nur in der Sportwelt. Faszienarbeit ist das Zauberwort.
Da wird allerlei Wundersames gemunkelt. Sportverletzungen, die innerhalb kürzester Zeit wieder heilen. Oder jahrelang bestehende Bewegungseinschränkungen, die wie von Zauberhand berührt, plötzlich verschwinden. Allerdings scheint die dafür verantwortliche Fasziendistorsion eine sehr schmerzhafte Behandlungsmethode sein. Und dann sollen diese Hüllen, dieses Bindegewebe, das wir immer wegschneiden, wenn wir ein Stück Fleisch zubereiten, auch noch eines unserer wichtigsten Wahrnehmungsorgane sein ...
Nun denn: Mehr Gründe brauchen wir nicht, um Sie bis ins letzte Detail über dieses Thema zu informieren.

Was den Körper zusammenhält
Faszien sind Bindegewebe. Sie umhüllen und verbinden fast alle Strukturen des Organismus. Sie können sich das so vorstellen: Vor Ihnen steht Ihr Chef. Nun wird alles außer dem Fasziennetzwerk aus seinem Körper entfernt. Dann haben Sie ein milchig-weiß schimmerndes, exaktes 3-D-Modell dieser Person vor sich stehen.
Oder andersrum erklärt. Entfernen Sie aus einem Muskel alle Faszien, dann bleibt Zellpudding über.
Das Besondere an dem Faszien-Netzwerk: Es verbindet fast alle Strukturen des Körpers und auch die Organe miteinander. Mit anderen Worten: Wenn ein Faszien-Strang im Bereich der großen Zehe massiert wird, kann es sein, dass Ihre Kniebeschwerden verschwinden oder die Leberfunktion beeinflusst wird.

Bindegewebe praktisch überall zu finden
Faszien finden sich im Körper - grob eingeteilt - in drei Bereichen: Erstens: Im Unterhautgewebe sorgen sie für Elastizität und Form.
Zweitens: Weiter in der Tiefe umhüllen Faszien die Muskeln, Knochen, Blutgefäße und Nervenbahnen. Hier richtet sich ihr Aufbau nach ihren Aufgaben. Sehnenplatten, Bänder, Gelenkkapseln oder eben weiche Trennwände innerhalb von Muskeln. All das sind Faszien.
Drittens: Die sogenannten viszeralen Faszien umhüllen die inneren Organe mit einer Doppelschicht und sorgen damit für deren Gleitfähigkeit. Lungenfell, Bauchfell, Hirnhäute sind einige Beispiele.
Diese Bindegewebeart ist also vielseitig "einsetzbar". Die Faszien in der Haut sind sehr anpassungsfähig und dehnbar - denken Sie nur an den Zuwachs des Bauchumfangs bei einer Schwangerschaft.
Am anderen Ende des Spektrums steht zum Beispiel die Achillessehne. Sie hält locker Zugkräfte von mehr als 1.000 kg aus und weist daher nur das nötige Minimum an Elastizität auf.

Interesse der Medizin erwacht
Gesunde und bewegliche Faszien lassen den Körper schmerzfrei funktionieren, deformierte hingegen verursachen Schmerz und Entzündung.
Lange Zeit wurde den Faszien keine große Bedeutung zugemessen. Der Humanbiologe und Faszienforscher Robert Schleip von der Universität Ulm spricht gar vom "Aschenputtel-Organ". Das Hauptaugenmerk galt bisher den Muskeln und Organen. Neue Erkenntnisse zeigen jedoch, dass dieses Bindegewebe nicht nur über Schmerzrezeptoren verfügt, sondern auch einen engen Bezug zum vegetativen Nervensystem hat. Die vermehrte Ausschüttung von Cortisol durch chronischen Stress etwa sorgt für eine stärkere Spannung in den Faszien. Bewegungsmangel oder Fehlbelastungen führen zu Verfilzungen und Verklebungen.

Mit den Händen heilen
Massagetechniken, die sich gezielt den bindegewebigen Strukturen annehmen, sind nicht neu. Bereits 1929 entwickelte die deutsche Krankengymnastin Elisabeth Dicke die Bindegewebsmassage. Als Segment- oder Reflexzonenmassage gehört sie zum Standardrepertoire der Heilmassage.
Im aktuell sehr angesagten Faszien-Distorsions-Modell, das in den 1990er-Jahren vom US-amerikanischen Mediziner Stephen Typaldos entwickelt wurde, spielen die Bindegewebszüge die zentrale Rolle in der Diagnostik und der Behandlung vieler körperlicher Beschwerden.
Behandlungen an den Faszien - von der Fasziendistorsionstechnik über das Rolfing bin hin zu Triggerpunkt-Massagen - werden mittlerweile als wirkungsvolle Therapie für die unterschiedlichsten Krankheitsbilder betrachtet. Auch in der Sportwelt gilt die Faszienarbeit mittlerweile fast als Wundermethode und erfreut sich zunehmender Beliebtheit, selbst wenn die manuellen Behandlungen äußerst schmerzhaft sind.

Die zentrale Frage lautet daher: Was brauchen Faszien, um gesund und stabil zu bleiben und welche Prozesse schädigen dieses Netzwerk?

Eine Sendung von Dr.in Michaela Endemann und Mag.a Carola Timmel.
Moderation und Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

InterviewpartnerInnen:

Christina Halasz MSc. D.O.
Osteopathie Gröbming
Hauptplatz 110
8962 Gröbming
Telefon: 03685/23009
Christina Halasz

Andreas Haas
Leiter und Inhaber Manus Ausbildungszentrum
Auhofstraße 256
1130 Wien
Telefon: 01/368 3000
Manus Ausbildungszentrum
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Julia Haberzettel
Physiotherapeutin
Alserstr. 28
1090 Wien
Telefon: +43/676/6380633
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Dr. Georg Harrer
Arzt für Allgemeinmedizin und
Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin; Osteopath
A-1230 Wien
Perfektastraße 40/3/2
Tel.: +43-(0)1-9440594
E-Mail

Dr. Robert Schleip
Humanbiologe und Psychologe
Direktor der Fascia Research Group
Georgenstrasse 22
D-80799 München
Tel +49 (0)89 398574
E-Mail
Fascia Research Group

Infos:
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Literatur:
Robert Schleip, Johanna Bayer
Faszien-Fitness: Vital, elastisch, dynamisch in Alltag und Sport
Verlag: Riva (10. Oktober 2014)

Stephen Typaldos
Faszien Distorsions Modell
Verlag: Stephen Typaldos D.O.
ISBN-13: 978-0615539935

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