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Ö1 Kunstsonntag: Radiokunst - Kunstradio
"Die Schuhe der Braut" - Hörspiel von Magda Woitzuck
"Die Schuhe der Braut" -
Hörspiel von Magda Woitzuck
10. Dezember 2017, 23:03
Das fünfte Hörspiel der niederösterreichischen Autorin Magda Woitzuck erzählt die Geschichte des syrischen IS-Soldaten Said, der geläutert wird und sich auf den Weg nach Europa macht. Eine Reise als Parabel über Fährnisse und Schikanen, über Zynismus und Engstirnigkeit im Zusammenhang mit dem Thema Flucht. Dabei bleibt der Text beileibe nicht im Vordergrund des Geschehens, er knüpft vielmehr Fäden aus lyrischen Entwürfen in entlegene Assoziationsräume, in testamentarische Formeln und surreale Bildwelten.
Said wird von seinem Kameraden Faisal in ein Loch in der Wüste abgeseilt. Dort haben IS-Kämpfer ihre - höchstwahrscheinlich zivilen - Opfer hineingeworfen. Said soll einen geköpften ausländischen Journalisten aus dem Loch holen, dessen Frau will den Leichnam begraben und ist bereit, dafür zu bezahlen. Dort unten trifft Said auf eine ebenfalls kopflose Braut. Sie wurde vom IS hingerichtet, weil sie bei ihrer Hochzeit Lippenstift getragen hatte. Dieses Erzählelement hat Woitzuck aus realen Begebenheiten bezogen, so wie viele ihrer Erfindungen in der Realität fußen, meist teilweise ins Phantastische überhöht. So auch in diesem Fall, die Braut beginnt mit Said zu sprechen. Sie suche ihre Schuhe, ohne diese könne sie ja nicht heiraten. Said, zunächst naturgemäß verständnislos, sucht die Schuhe und findet sie. Zum Dank darf er einen Finger der Braut essen, er muss, denn damit verzeiht die Braut, die in Saids Phantasie bald zu einer Gottheit mutiert, ihm und seinen Kameraden alles, auch dass man sie geköpft hat.
Als Kämpfer ging er in das Loch, als Deserteur kommt er heraus. Sie hätten einen Fehler gemacht, sagt er, sie haben die Braut geköpft, sie haben Unschuldige getötet, sie haben gemordet. Said beschließt, den IS zu verlassen und nach Deutschland zu flüchten. Auf diesem Weg begegnen ihm ein abgestumpfter Polizist, ein abgewrackter Arzt und eine Journalistin mit Schreibblockade, die sich dem Thema Flüchtlinge widmen soll und in Said ein willkommenes Opfer im Wortsinn sieht, zunächst jedenfalls.
Magda Woitzuck, geboren 1983, reflektiert diese bereits in Allegorien erzählte Geschichte weit in die Geschichte der Menschheit, zurück in die Heilige Schrift, in Urbilder, die sie der Braut und dem Loch in den Mund legt. So gestaltet sich eine poetische Reise, dargestellt in oft absurden, bisweilen hermetischen, immer wieder rätselhaften Bildern. Das scheinbar Banale wird mit Dichtung verwoben, damit in dadaistischem Sinn zur Kunst erklärt, ein Prinzip, dem die Autorin schon lange und immer wieder folgt. Bereits in ihrer Jugend verfasste Woitzuck Prosatexte, die nicht nur durch ausgesprochene Fachkenntnis in Sachen Zwischenmenschlichkeit bestachen, sondern stets auch durch eine gewisse Schräglage, die man als magischen Realismus bezeichnen kann.
Mit Matthias Franz Stein, Gideon Maoz, Vera Borek, Hannah Mensing, Rainer Doppler, Florentin Groll und Chris Pichler. Regie: Peter Kaizar und Philip Scheiner. Musik: Peter Kaizar.