Frau 1938 auf dem Steg eines Schiffes

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Radiogeschichten

Literatur aus Israel: Jenny Aloni

Ö1 Nebenan: Israel: "Zypressen zerbrechen nicht" von Jenny Aloni. Es liest Silvia Meisterle. Gestaltung: Gudrun Hamböck

Eine junge deutsche Jüdin flieht 1939 nach Palästina. Während das Schiff an Kreta, dem "Ende von Europa" vorbeifährt, zeigt sich in den Gesprächen der Passagiere wie inhomogen die hier versammelte Menschenmenge ist - ein Teilabbild der zukünftigen Gesellschaft Israels.

Schon auf dem Schiff nimmt die Protagonistin Helga den hebräischen Namen "Hagar" an, "die Fremde". Und fremd bleibt ihr vorerst auch das Land, das doch die Heimat Israel sein soll. Jenny Alonis erster Roman "Zypressen zerbrechen nicht" ist, wie Vieles in ihrem Werk, autobiografisch grundiert. Angesiedelt in der Zeit des britischen Mandats, schildert er die Entwicklung einer jungen Frau von der Außenseiterin zum engagierten Mitglied der Gemeinschaft, wobei die Schattenseiten dieser oft verklärten Gründerjahre nicht ausgespart werden - wie das Misstrauen der einheimischen Juden den Einwanderern gegenüber, das Desinteresse am Schicksal der Juden in Europa oder der Konflikt mit der arabischen Bevölkerung.

Jenny Aloni wurde 1917 als Jenny Rosenbaum im westfälischen Paderborn geboren, Ende November 1939 konnte sie Deutschland als Leiterin eines jüdischen Kindertransports nach Palästina verlassen, ihre Eltern und Schwester wurden deportiert und ermordet. Aloni lebte bis zu ihrem Tod 1993 in Israel. Sie studierte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, leistete Sozialarbeit für verwahrloste Kinder und Jugendliche, war Sanitäterin bei der Jüdischen Brigade der Britischen Armee wie auch im Palästina-Krieg 1948. Sie half 1946 in Paris und München bei der Rückführung jüdischer Displaced Persons in ihre Heimatländer bzw. bei ihrer Auswanderung nach Palästina und war bis 1981 ehrenamtliche Mitarbeiterin einer Psychiatrischen Klinik. Ab 1957 lebte sie mit ihrer Familie in Ganei Yehuda bei Tel Aviv.

Alonis literarisches Werk ist geprägt von den jüdischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts: es reicht in Deutschland von der Weimarer Republik über die NS-Zeit bis zur Wiedervereinigung; in Israel von der britischen Mandatszeit über die Staatsgründung 1948 bis in die Jahre der zweiten Intifada. Jenny Aloni verfasste Tagebücher, die fast 60 Jahre umspannen, Gedichte, Skizzen, Kurztexte, Erzählungen und Romane. Sie schrieb vorwiegend auf Deutsch und wurde zur wichtigsten Stimme der deutschsprachigen Literatur Israels ihrer Generation. Ihr für die deutsch-jüdische Erinnerungskultur exemplarisches Werk fand öffentliche Anerkennung durch die Verleihung von zwei Literaturpreisen 1991: des internationalen Droste-Preises der Stadt Meersburg und des Großen Westfälischen Literaturpreises (ebenfalls nach Droste benannt).

Service

Jenny Aloni, Zypressen zerbrechen nicht. Roman. Eckart Verlag Witten und Berlin 1961 (nur mehr antiquarisch erhältlich)

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