Unleugbar originell: A Sea Symphony

21. Februar 2018, 14:05

Leicht befremdlicher Text; verdammt gut instrumentierte Musik

"A Sea Symphony" von Ralph Vaughan Williams sei eine "unleugbar originelle, verdammt gut, sehr opulent instrumentierte Komposition", meint der englische, 1958 geborene Dirigent Martyn Brabbins. Vaughan Williams leite "alles vom Text ab, der manchmal recht befremdlich - schwülstig - ist. Es war für alle Schwerarbeit, ihn immer ernst zu nehmen, aber wenn man glaubt, was man singt, dann überträgt es sich aufs Publikum." Der Text ist eine hoch gestimmte "Melange aus Metaphysik und tief empfundenem Humanismus", von der sich Brabbins durchaus auch angesprochen fühlt, es gäbe ja "so etwas wie Göttliches, ich bin aber nicht sicher, was das sein soll. Zum Glück gibt es ja Musik, die das zum Ausdruck bringen kann."

Ralph Vaughan Williams wurde während seines Studiums in Cambridge vom gleichaltrigen Bertrand Russell auf den mehr als 400 Gedichte umfassenden Zyklus "Leaves of Grass" (deutscher Titel " Grashalme" oder "Grasblätter") des amerikanischen Lyrikers Walt Whitman aufmerksam gemacht. Vaughan Williams war von den, zwischen 1855 und 1890 in diversen Ausgaben erschienen, Gedichten in freien Rhythmen stark beeindruckt. Viele Komponisten teilten diese Begeisterung, Frederick Delius etwa, den Vaughan Williams hoch schätzte.

.ein wenig französischen Schliff holen.

1903 begann Vaughan Williams eine großformatige Chor-Komposition, aus der sich zunächst ein Zyklus von "Sea songs" auf Textpassagen aus "Leaves of Grass" herausschälte. Im Winter 1907-08 scheute der damals 35-jährige, bereits erfolgreiche Komponist und Doktor der Musikwissenschaft Vaughan Williams nicht den Weg zum drei Jahre jüngeren Maurice Ravel nach Paris, um "sich ein wenig französischen Schliff zu holen." Diesen Schliff wollen viele, so auch Martyn Brabbins, an der Orchestrierung erkennen, die nach dem Studium bei Ravel farbiger geworden sei. Fünf- und Ganztonskalen hatte er allerdings schon vor Ravel verwendet. Vaughan Williams dankte Ravel, ihm geholfen zu haben, dem "schwerfälligen teutonischen Stil" zu entkommen, den er bei Sir Hubert Parry und Sir Charles Stanford gelernt hatte, deren Einfluss sich aber im Chorsatz bemerkbar mache, wie Brabbins anmerkt. 1908-1909 erhielt "A Sea Symphony" ihre endgültige, formal traditionelle viersätzige, symphonisch strukturierte Gestalt mit Chor und zwei Solisten. Dieser symphonische Erstling blieb die längste seiner insgesamt neun Symphonien.

Monumentales, Opulentes und ein finales Pianissimo

Der 1. Satz, "A Song for All Seas, All Ships" (Bariton, Sopran und Chor), ist ein Hymnus auf unerschrockene Seefahrer und die unbezwingbare Natur des Menschen; der Adagio-Satz, "On the beach at night alone" (Bariton und Chor), eine Reflexion über die "überwältigende, alles verschränkende Ähnlichkeit" des Alls; der 3. Satz, Scherzo: "The Waves", ein virtuoses Tongemälde für Chor und Orchester. Das halbstündige getragene Finale, "The explorers" (Bariton, Sopran und Chor), vertont Abschnitte aus dem Gedicht "A passage to India", in dem die Seereise als Bild für die "letzte Reise der Seele" herhält: "O farther, farther, farther sail!" Die monumentale Chorsymphonie verklingt pianissimo.

Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Peter Kislinger