Claude Lanzmann

AFP/JOEL SAGET

Im Gespräch

In memoriam Claude Lanzmann

"Ich gehorche dem kategorischen Imperativ, nach der Wahrheit zu suchen und sie weiterzugeben." - Renata Schmidtkunz spricht mit Claude Lanzmann, Filmemacher und Autor (Erstausstrahlung 5.12.2013)

Seine besondere Stärke, sagt der französische Filmemacher Claude Lanzmann, sei nicht so sehr, besonders ausgeklügelte Fragen zu stellen als viel mehr sehr aufmerksam zuzuhören und das Gehörte durch präzises Vorwissen einordnen zu können. Und dann dem Interviewten durch gezielte Fragen in seiner Erinnerung und seinen Emotionen weiterzuhelfen, um so nah als möglich an die faktische und emotionale Wahrheit heranzukommen. So machte er es auch bei einem Interview, das er 1975 mit dem Rabbiner Benjamin Murmelstein, dem letzten "Ältesten" des Judenrates des KZ Theresienstadt, in Rom geführt hatte. Der Film "Der letzte der Ungerechten" ist auf Anregung des Filmmuseums Wien 38 Jahre nach dem Interview entstanden und hatte auf der VIENNALE'13 Premiere.

Lanzmann, der 1925 in Paris geboren und als junger Bursche an einigen Kämpfen der Résistance beteiligt war, kam erst im Alter von 45 Jahren zum Filmemachen. Bis dahin war der studierte Philosoph, der auch einige Semester an der von ihm sehr kritisierten Freien Universität Berlin doziert hatte, hauptsächlich als Journalist tätig. Viele Jahre arbeitete er mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, dessen Lebensgefährte er war, als Herausgeber des von ihnen gegründeten Magazins "Les Temps modernes".

In seinem ersten Dokumentarfilm "Pourqoi Israel?" setzt er sich 1973 mit seiner jüdischen Identität und der Frage auseinander, was die Shoa und die Gründung des Staates Israel miteinander zu tun haben. An seinem opus magnum, dem 8-stündigen Film "Shoa", arbeitete er 9 Jahre, um das Ausmaß der Vernichtung des europäischen Judentums spürbar und deutlich zu machen. In "Tsahal" (1994) setzt er sich während der ersten Intifada mit der gleichnamigen israelischen Armee und ihrer Funktion in der israelischen Gesellschaft auseinander.

Renata Schmidtkunz spricht mit Claude Lanzmann über Emotion und Verstand, die Essenz des Interviewens, den kategorischen Imperativ und das Banale und das Böse.

Service

Doron Rabinovici, "Instanzen der Ohnmacht. 1938-1945. Der Weg zum Judenrat", Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag

Claude Lanzmann, "Der patagonische Hase", Autobiografie, als Taschenbuch bei rororo

Gesamtausgabe des Lanzmann'schen Filmwerkes, arte-Edition im Verlag "absolut medien"

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