Gedenkjahr vor dem Parlament, 1918

ÖNB

Radiokolleg Spezial "1918"

Anatomie einer Zeitwende. Gestaltung: Günter Kaindlstorfer, Tanja Malle, Sabine Nikolay, Wolfgang Ritschl und Peter Zimmermann

Epochenende. Ein Imperium zerfällt
Vor 100 Jahren, am 12. November 1918, wird die Erste Republik ausgerufen. Noch trägt sie einen ungewöhnlichen Namen, nämlich: Deutschösterreich. Um die Zukunft des neuen Staates herrscht Verwirrung, ebenso wie um seine territorialen Grenzen. Mit Ende des Ersten Weltkriegs ist die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn Geschichte, die Bevölkerung traumatisiert. Die Gesellschaft muss sich neu erfinden - politisch und wirtschaftlich.

Teil 1 widmet sich der Vorgeschichte der Ersten Republik und der Suche nach einem neuen Selbstverständnis. Teil 2 zeichnet nach, was ab 1918 rund um "Deutschösterreich" passiert. Teil 3 schildert, wie sich eine erschütterte Gesellschaft neu aufstellt und Teil 4 skizziert den Kollaps der Wirtschaft und fragt nach, welche Lehren sich aus den Anfangsjahren der Ersten Republik ziehen lassen.

Die Erste Republik trägt zunächst einen ungewöhnlichen Namen: Deutschösterreich. Noch am Gründungstag, dem 12. November 1918, beschließt die Provisorische Nationalversammlung, dass der neue Staat ein Teil der drei Tage zuvor ausgerufenen deutschen Republik sei. Der Aufbau des neuen Österreich gestaltet sich chaotisch: Eine Zeitlang existieren parallele Behörden und Strukturen: Alte, aus der Zeit der Doppelmonarchie, und neue, nationalstaatliche. Unruhe und Orientierungslosigkeit herrschen vor. Doch nicht nur Zuständigkeiten sind ungeklärt. Auch die neuen Grenzen des jungen Nationalstaates sind umstritten, das gilt für Tirol, für Kärnten und für das Burgenland. Der Verlust Südtirols, seine Angliederung an Italien, schmerzt und wird jahrzehntelang nicht überwunden werden. In Kärnten erheben Truppen des neuen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen Anspruch auf Teile des Bundeslandes, es beginnen bewaffnete Auseinandersetzungen.

Die Erinnerung daran spielt in Kärnten auch heute noch eine tagespolitisch aktuelle Rolle. Im Studiogespräch erklärt die Historikerin Verena Moritz die Gründe für das Ende der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, die territoriale Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg und spricht über die Schwierigkeiten beim Start der Demokratie. Wie schwierig Österreich eine Neupositionierung fällt, verdeutlicht unter anderem, dass bis zum Jahr 1933 gleich drei Hymnen in Umlauf sind.

Die Erste Republik wird von vielen als Rumpfstaat betrachtet, als Staat, den niemand will. Österreich sucht nach einem neuen Selbstbild in der Literatur und in der Politik. Das soeben untergegangene Habsburgerreich wird wieder aufgewertet, eine tragende Rolle spielt außerdem der Katholizismus. Andere Bevölkerungsgruppen träumen von der Revolution - wenn auch nur kurz. Denn während nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in weiten Teilen Europas revolutionäre Bewegungen aufflammen, setzen sich in der Ersten Republik die Kräfte der Restauration durch.

Moderation: Wolfgang Ritschl. Recherche der zeithistorischen Originaltöne: Michael Liensberger. Redaktion: Tanja Malle, Ina Zwerger

Service

Die Hannes Androsch (Hrsg.): 1848-1918-2018 - 8 Wendepunkte der Weltgeschichte. Brandstätter Verlag

Vicki Baum: Menschen im Hotel, Roman, Kiepenheuer & Witsch

Hugo Bettauer: Der Herr auf der Galgenleiter, Roman, Milena Verlag

Dieter A. Binder, Ernst Bruckmüller: Essay über Österreich. Grundfragen von Identität und Geschichte 1918 - 2000, Böhlau Verlag

Ernst Bruckmüller: Symbole österreichischer Identität zwischen Kakanien und Europa, Picus Verlag

Marion Dotter und Stefan Wedrac: Der hohe Preis des Friedens: Geschichte der Teilung Tirols. 1918 bis 1922. Tyrolia Verlag

Heinz Fischer: 100 Jahre Republik: Meilensteine und Wendepunkte in Österreich 1918-2018. Czernin Verlag

Egon Friedell, Selbstanzeige, Löcker Verlag

Robert Gerwarth: Die Besiegten. Das blutige Erbe des Ersten Weltkriegs. Siedler Verlag

Christian Glanz, Hanns Eisler. Werk und Leben, erschienen in der Reihe "Neue Musikportraits", Edition Steinbauer

Anton Holzer: Die erkämpfte Republik: 1918/19 in Fotografien. Residenz Verlag

Pieter M. Judson: Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740 -1918. C.H. Beck

Christian Koller, Matthias Marschik (Hg.), Die ungarische Räterepublik 1919, Promedia

Helmut Konrad/Wolfgang Maderthaner: Das Werden der Ersten Republik: Der Rest ist Österreich. Gerold Verlag

Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Suhrkamp

Andreas Latzko: Menschen im Krieg, Novellen, Milena Verlag

Hannes Leidinger und Verena Moritz: Umstritten, verspielt, gefeiert. Die Republik Österreich 1918/2018. Haymon Verlag

Ernst Lothar, Der Engel mit der Posaune, Zsolnay

Sarah Mohi von Känel: Kriegsheimkehrer. Politik und Poetik 1914 - 1939, Wallstein Verlag

Verena Pawlowsky und Harald Wendelin: Die Wunden des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914-1938. Böhlau Verlag

Anton Pelinka: Die gescheiterte Republik: Kultur und Politik in Österreich 1918-1938. Böhlau Verlag

Alfred Pfoser und Andreas Weigl: Die erste Stunde Null. Grünungsjahre der österreichischen Republik. 1918 - 1922. Residenz Verlag

Oliver Rathkolb: Die paradoxe Republik. Österreich 1945 - 2005. Zsolnay

Manfried Rauchensteiner: Unter Beobachtung. Österreich seit 1918. Böhlau Verlag

Walter Rauscher: Die verzweifelte Republik. Österreich 1918-1922. Kremayr und Scheriau

Joseph Roth: Die Flucht ohne Ende, Roman, Kiepenheuer & Witsch Verlag
Joseph Roth: Radetzkymarsch, dtv

Reinhard Schlüter: Der Haifisch. Aufstieg und Fall des Camillo Castiglioni, Zsolnay

Dieter Stiefel: Camillo Castiglioni oder Die Metaphysik der Haifische, Böhlau Verlag

Emmerich Talos unter Mitarbeit von Florian Wenninger: Das austrofaschistische Österreich 1933-1938, Lit Verlag

Volker Weidermann: Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen, Kiepenheuer & Witsch

Heinrich August Winkler: Weimar 1918 - 1933: Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, C.H. Beck

Stefan Zweig, Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers, Fischer TB

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