Brot und Gemüsesteigen

ORF

Radiokolleg - Die Zukunft der Archive

Sammeln in digitalen Zeiten (2). Gestaltung: Thomas Mießgang

Archive sind traditionell Orte zur Aufbewahrung des Vergangenen, Plätze für Staub, alte Bücher, alte Partituren, Erinnerungsstücke. Ob es nun um Bilderarchive geht, um Textarchive / Bibliotheken, um Musikarchive oder um Speicher des bewegten Bildes.

Was aber geschieht mit den Archiven, wenn sie überflutet werden etwa mit visuellem Content, der die Archivare vor völlig neue Herausforderungen stellt. Wenn es beispielsweise ein Filmarchiv aufnehmen muss mit alltagskulturellen Dokumenten, die nicht mehr wie in früheren Zeiten als begrenzte Zahl von Super 8-Filmen eingereicht werden, sondern als beinahe unüberblickbare Zahl von digitalen Files?

Was machen Bibliotheken, deren zentrale Aufgabe bislang immer die Sammlung, Sichtung und Aufbereitung von Papiermaterialien war, in einer Epoche, in der Autoren kaum mehr auf Papier schreiben, sondern ihre Werke gleichfalls auf digitalen Datenträgern speichern? Was ist unter solchen Bedingungen eine wertvolle Archivalie, die aufbewahrt werden muss und was nur wertloser Datenmüll?

Archive sind in Zeiten des ´digitalen Overkills` in einer Umbruchssituation und müssen ihre gesellschaftliche Funktion, ihre Sammelstrategien und ihre Zielbestimmungen neu definieren. Dazu kommt, dass die traditionell immer noch im analogen Sektor operierenden Archive in der Welt der Informationsanbieter abgeschlagen scheinen und digitalen Entwicklungen nur noch hinterherhinken.

All dies hat zur Folge, dass seit einigen Jahren in Symposien und Tagungen über die Zukunft der Archive und Speichermöglichkeiten unter digitalen Bedingungen reflektiert wird. Es geht dabei etwa um neue Strategien zur Bewältigung der ´Bilderflut` nach den Maßgaben einer "messbaren Bewertung", die, aufbauend auf Datenmodellierung und anhand von Bildmetadaten mit Hilfe von Algorithmen die Bildauswahl automatisieren soll.

Zu den aktuellen Problemen zählt aber auch der Umgang mit neuen Speicherungsdispositiven wie der Cloud, deren Speicherort durch die Verteilung auf zahlreiche Server unbekannt ist und bei der die Vorteile der "location independence" mit den Anforderungen der "data sovereignty" in Konflikt geraten können.

Die Archive, seien sie nun textbasiert oder bildorientiert, stehen somit vor dem wahrscheinlich größten Paradigmenwechsel, seit sie als gesellschaftliche Gedächtnisspeicher geschaffen wurden. Nach dem sogenannten ´archival turn` plädiert man in der Kulturwissenschaft vermehrt für eine transdisziplinäre Ausrichtung mit den Geisteswissenschaften.

Das Radiokolleg versucht im Gespräch mit Archivaren, Wissenschaftern, Digitaltheoretikern neue Wege für die im Analogen beheimateten traditionellen Wissensspeicher aufzuzeigen. "Digitale Archive sind sowohl Subjekt wie Objekt eines neuen Gedächtnisses." schreibt der Theoretiker Walter Umstätter. Es gehe darum "im Archivmedium die Botschaft zu erkennen - also das Alphabet im Falle des klassischen Archivs, Mathematik und Algorithmen im Falle des digitalen Archivs".

Service

Literatur:

Gregor Neuböck (Hg.): Digitalisierung in Bibliotheken. De Gruyter Saur, 2018.

Dietmar Wolff Richard Göbel: Digitalisierung: Segen oder Fluch: Wie die Digitalisierung unsere Lebens- und Arbeitswelt verändert. Springer 2018.

Anett Müller: Erinnern und Vergessen: Medienformen im Digitalen Wandel, Büchner 2019.

Michael Palm: Cinema Futures / Film, 2h 06 Min. Österreich, 2016.

Sendereihe

Gestaltung

  • Thomas Mießgang