Das Ö1 Konzert

Strawinsky, Debussy, Schostakowitsch

London Philharmonic Orchestra, Dirigent: Vladimir Jurowski; Leif Ove Andsnes, Klavier. Igor Strawinsky: a) Symphony in C; b) Tango (arrangiert für Orchester) Claude Debussy: Fantasie für Klavier und Orchester G-Dur (Teilwiedergabe) Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54 (aufgenommen am 18. April 2018 in der Royal Festival Hall, London). Präsentation: Peter Kislinger

Debussys einziges Werk für Klavier und Orchester als Puffer zwischen zwei Symphonien russischer Komponisten, die zur selben an ihren Werken arbeiteten und auf Zeitumstände reagierten bzw. reagieren mussten: Strawinskys zur Hälfte bereits im US-amerikanischen Exil entstandene "Symphony in C" und die 6. Symphonie von Schostakowitsch. Zwar entstand Strawinskys Werk in relativer Sicherheit, doch war diese Zeit die vielleicht unglücklichste in seinem Leben: Innerhalb von sechs Monaten starben seine Schwester, seine Frau, seine Schwiegermutter und seine Mutter.

Nicht Komponist, sondern Musikerfinder

Strawinskys "Symphony in C" entstand 1940 als Auftragswerk des Chicago SO. Die viersätzige Form und vor allem die Tonartangabe - manchen galt bereits die abendländische Tonalität als ausgereizt, und dann erst recht C-Dur! - waren als Antwort auf den Klassikmusikbetrieb der USA gedacht, in dem Symphonien vorherrschten. C-Dur? Ja, aber unter der Oberfläche gibt es harmonische Querschläger. Jurowski versteht die vier Sätzen des Werkes, für das sich Strawinsky seine eigene Klassik erfindet, als "Allegorie des Menschenlebens: Kindheit, Pubertät, Reife, Alter - das Gegenüber von Leben und Tod."

Wie in einem Sarg schlafen

Die 6. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch versteht der Dirigent Vladimir Jurowski als "perfektes Abbild des surrealen Wahnsinns des stalinistischen-sowjetischen Terrorregimes", als eine unmittelbare Reaktion auf die Angst und den Schrecken während "vegetarischen Periode" - wie die Lyrikerin Anna Achmatowa die Zeit zwischen den zwei Massenmorden, den stalinistischen "Säuberungen" (der "Große Terror" von 1936 bis 1938 bzw. 1948 bis 1953), nannte. Am Titelblatt der Partitur hat sich Jurowski Worte des Dichters Ossip Mandelstam notiert: "Gott helfe mir durch diese Nacht, weil ich um die Seele fürchte. Dein Sklave. In Leningrad leben ist wie einem Sarg schlafen." Das sei, so Jurowski, "exakt die Musik des 1. Satzes", der die Hälfte der dreisätzigen Symphonie beansprucht. Der 2. Satz (ein "panisches und absurdes" Allegro) und der 3. Satz (ein hysterisch pseudfröhliches Presto) sind brillant instrumentiert, aber wären ohne den "merkwürdigen" 1. Satz völlig unverständlich, der ihn auch an Francisco de Goyas Radierung erinnert: "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer." Das große Flötensolo in der Mitte des Satzes zitiert die Vertonung eines von Schostakowitsch vertonten Gedichtes. Dessen Thema? Selbstmord.

Weder Klavierkonzert noch Fantasie

Zwischen den beiden Symphonien erklingt Debussys Antwort auf das, was er - mehr oder eher weniger witzelnd - "das ekelhafte deutsche Instrumentalkonzert" nannte. Sein Klavierkonzert, seine "Fantaisie pour piano et orchestre", eine Art Vorspiel zu seinem "Prélude à l´après-midi d´un Faune", wurde 1890 fertig gestellt, wurde aber erst 1919, ein Jahr nach Debussys Tod öffentlich zum ersten Mal gespielt. Debussys einzige Komposition für Klavier und Orchester war als zweiteilige Fantasie geplant, wobei allerdings der 2. Teil aus einem langsamen und schnellen Teil besteht, also noch der dreiteiligen Form verhaftet bleibt.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Igor Strawinsky/1882 - 1971
Titel: Symphonie in C
* Moderato alla breve - 1.Satz
* Larghetto concertante - 2.Satz
* Allegretto - 3.Satz
* Largo, Tempo giusto, alla breve - 4.Satz
Orchester: London Philharmonic Orchestra,
Leitung: Vladimir Jurowski, Dir.
Länge: 27:15 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Igor Strawinsky/1882 - 1971
Titel: Tango - für 4 Klarinetten, Bassklarinette, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Gitarre, 3 Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass (orig. für Klavier)
* Tempo di Tango
Orchester: London Philharmonic Orchestra,
Leitung: Vladimir Jurowski
Länge: 04:10 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Claude Debussy/1862-1918
Titel: Fantasie für Klavier und Orchester
* 2. Lent (très expressif) - 2.Satz
* 3. Allegro molto - 3.Satz
Anderssprachiger Titel: Fantaisie pour piano et orchestre
Klavierkonzert, Konzert für Klavier und Orchester
Solist/Solistin: Leif Ove Andsnes / Klavier
Orchester: London Philharmonic Orchestra,
Leitung: Vladimir Jurowski
Länge: 15:00 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Dimitri Schostakowitsch/1906 - 1975
Titel: Symphonie Nr.6 in h-moll op.54
* Largo - 1.Satz
* Allegro - 2.Satz
* Presto - 3.Satz
Orchester: London Philharmonic Orchestra,
Leitung: Vladimir Jurowski
Länge: 31:13 min
Label: EBU

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