Oliver Tanzer

LUKAS BECK

Gedanken für den Tag

Oliver Tanzer über das Geben

"Die Mathematik der Güte". Warum die Gabe eines der besten Modelle nachhaltigen Wachstums ist, erklärt Oliver Tanzer, Wirtschaftsjournalist und Buchautor. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Wir haben in den vergangenen Tagen die Gabe als wichtiges Instrument kennengelernt, das Beziehungen zwischen Menschen stiften kann und Frieden. Heute soll es ein wenig tiefer gehen.

Wie es nämlich ist, wenn die Gabe gar keinen ökonomischen Kriterien entspricht und keinen höheren Nutzen will. Wenn sie nicht einmal etwas Persönliches ist. Ganz ohne Verpackung und auch keinem Anlass geschuldet, sondern zeitlos. Sobald ein Geschenk nämlich bedingungslos gegeben wird und ohne konkretes Ziel, ist es tatsächlich zeitlos und immer da. Es ist das Präsent im Präsens, ein present in der present tense, ein present im present. Und wie sehr erinnert diese Gabe doch an die Geschichte von der ersten Gabe der Schöpfung, gegeben durch etwas, das sich vorstellte als "Ich bin da", als ein zeitloses Verb.

Das klingt verwirrend und ist es auch, denn die Geschenke, von denen hier die Rede ist, werden nicht so sehr verstanden, wie sie gefühlt werden. Wenn man etwa am Morgen in den Frühling hineinspaziert und das Gras sprießt und die ersten Blüten sprießen und Blätter sprossen. Was ist das dann, das man spürt? Was ist das Kind, das lustig um uns herumspringt oder dem man zusieht, wenn es sich freut? Und was ist auf niedrigerer Ebene ein Gedanke, eine Idee, die einem zufällt, von irgendwoher, quasi aus dem Nichts.

Ist das nicht alles Gabe? Und ist nicht das Schönste daran, dass man gar nicht weiß, woher es kommt? Dieses "Es gibt" der Philosophen ist unter Umständen das, was übrigbleibt, wenn alle anderen Geschenke verteilt sind. Die Gegenwart als Geschenk schlechthin.

Je mehr man aber besitzt von anderen Gegenständen, desto mehr droht man, dieses kleinste Geschenk von allen zu vergessen. Das ist schade, weil nur in diesen Augenblicken eine kleine Ahnung davon entsteht, dass wir beständig werden und gleichzeitig vergehen, damit es andere geben kann und anderes, das aus uns wächst und weiter wächst, wenn wir schon längst wieder zeitlose Teile des "Es gibt" geworden sind.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Jimmy McHugh/1894 - 1969
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Dorothy Fields/1905 - 1974
Album: THE HITS OF JUDY GARLAND
Titel: I can't give you anything but love
Solist/Solistin: Judy Garland /Gesang m.Begl.
Länge: 02:00 min
Label: Capitol CDP 7466222

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