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Radiogeschichten
Arthur Schnitzler: Seelenverwandt mit Freud
"Der Empfindsame". Erzählung von Arthur Schnitzler. Es liest Herbert Föttinger
19. Juni 2019, 11:05
Die versammelten jungen Leute sind sehr traurig, weil sich einer ihrer Freunde das Leben genommen hat. Albert Rohde, der beste Freund des Toten, behauptet, dieser sei "an seiner Empfindsamkeit" gestorben und liest einen Abschiedsbrief vor, der jedoch nicht vom Verstorbenen stammt, sondern von dessen letzter Liebe ... "Deine Liebe", schreibt sie darin, "ist mir mehr gewesen, als Du ahntest, und weniger, als Du wolltest". Aber genügt das für einen Selbstmord?
Arthur Schnitzler hat seine 1895 veröffentlichte Erzählung "eine Burleske" genannt. Psychoanalytiker sehen in ihr ein Beispiel für die "sexuelle Ätiologie der Neurose" (Frederick Behariell). "Jahrhunderte vor dem Aufkommen der Psychoanalyse gab es neben der herkömmlichen Psychologie eine andere, worin fundamentale Ergebnisse der Psychoanalyse vorweggenommen sind: die Psychologie der Dichter." Diese waren, so Freud selbst, "jederzeit Vorläufer der Wissenschaft und so auch der wissenschaftlichen Psychologie".
"Die verborgenen Tiefen der Persönlichkeit, die verschiedenen Ebenen des Bewusstseins, die Herrschaft des Unbewussten über das Bewusste, Zweifel an der Willensfreiheit, das Wissen um die Bedeutung der Träume, der ungeheure Einfluss der Kindheitserlebnisse auf die Entwicklung und die psychologische Bedeutung sexueller Eindrücke", dies findet sich thematisch, so Frederick Behariell, sowohl in Freuds als auch in Schnitzlers Werken. Freud 1922 in einem Brief an Schnitzler: "Ihr Ergriffensein von den Wahrheiten des Unbewussten, von der Triebnatur des Menschen, Ihre Zersetzung der kulturell-konventionellen Sicherheiten, das Haften Ihrer Gedanken an der Polarität von Lieben und Sterben, das alles berührte mich mit einer unheimlichen Vertrautheit."