ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Radiokolleg - Der Mond und das Internet
Von der Expansion und dem Schrumpfen unserer Welt (4). Gestaltung: Richard Brem, Thomas Mießgang, Wolfgang Ritschl, Mariann Unterluggauer, Ulrike Schmitzer, Astrid Schwarz und Ina Zwerger.
18. Juli 2019, 09:05
Abschied von der Erde?
Der amerikanische Physiker und Medienstar Michio Kaku bringt es auf den Punkt: Wir brauchen einen Plan B. Früher oder später müssen wir die Erde verlassen. Gründe gibt es genug. Entweder schlägt ein Meteorit auf die Erde ein, es bricht ein Supervulkan aus, oder die Erderwärmung macht den Planeten unbewohnbar. Wir sollten uns zu einer Zwei-Planeten-Spezies weiterentwickeln, rät der Futurist in seinem Buch "Abschied von der Erde". Die Astronomen kennen inzwischen schon 4.000 Planeten, die um andere Sterne kreisen. Alles potentielle neue Heimatplaneten, derzeit allerdings noch unerreichbar weit weg. Wir werden deshalb Mehr-Generationen-Schiffe zu weit entfernten Sonnen schicken. Kaku träumt von interstellaren Reisen mittels Laser-Porting. Dann würde unser Bewusstsein mit Lichtgeschwindigkeit durch die Milchstraße reisen - ein Avatar würde den fremden Planeten für uns betreten. Greifbarer sind da schon Zukunftsvisionen von Robotern, die sich selbst replizieren können und die Infrastruktur für die Weltenwanderer vorbereiten. Böse Zungen behaupten, die ganzen Visionen von der "Zweiten Erde" seien nur dazu da, die Menschheit zu beruhigen. Damit Konsum und Umweltverschmutzung ungebremst weitergehen können.
Im Würgegriff des Netzes
Es gibt kein Entkommen mehr, das Netz ist immer und überall. Das chinesische social credit score system, das größte Big Data Experiment unserer Zeit, das die Menschen bis in ihre intimsten existentiellen Bereiche ausmisst und bewertet, führt drastisch vor Augen, welches Kontrollpotential der Digitalisierung und Vernetzung innewohnt. Die Schrumpfung der Welt zu jenem "Global Village", von dem der Medientheoretiker Marshall McLuhan schon in den 1960er-Jahren gesprochen hat, wird Schritt für Schritt Realität. Gleichzeitig verlagern sich immer mehr Lebensbereiche in den digitalen Raum, und Menschen verbringen immer mehr Zeit online als offline. Der Cyberspace hat sich zu einem Paralleluniversum entwickelt, das die menschliche Existenz wie eine geodätische Kuppel überformt und eine Alternative zu den immer prekärer werdenden Bedingungen im "real life" anbietet. Doch auch der virtuelle Raum ist kein Locus amoenus und bringt neue Probleme mit sich, deren Dimensionen bisher noch nicht einmal ansatzweise erfasst sind.
It's a trip ...
Parallel zum "Trip to the Moon" wurden 1969 auch massenhaft Trips anderer Art unternommen. Speziell psychedelische Drogen versprachen eine Loslösung von körperlichen Begrenzungen und irdischen Zwängen. Kein Wunder daher, dass die Metapher der Raumfahrt nur allzu gerne von der damaligen Jugend- und Gegenkultur für ihre Art des "Spacing Out" verwendet wurde. Auch die Schriften und Vorträge des LSD-Predigers Timothy Leary mischten damals Visionen einer von Drogen induzierten geistigen Befreiung des Menschen mit seiner Expansion ins Weltall. Viele der wichtigsten Köpfe der späteren Computerindustrie, allen voran Steve Jobs, waren damals "Acidheads".
Service
Literatur:
Ulli Kulke: ´69: Der dramatische Wettlauf zum Mond. Langen-Müller Verlag 2018
Ben Moore: Mond. Eine Biografie. Kein und Aber 2019
Lukas Feireiss: Der Traum von der Reise zum Mond. Spector Books 2016
James R. Hansen: Aufbruch zum Mond: Neil Armstrong- Die autorisierte Biografie. Das Buch zum Film. Heyne Verlag 2018
Michio Kaku: Abschied von der Erde. Die Zukunft der Menschheit. Rowohlt Verlag 2019
Maiken Nielsen: Space Girls. Wunderlich Verlag 2019
Andy Weir. Artemis. Heyne Verlag 2019
Franz Schätzing: Limit. Kiepenheuer und Witsch 2009
Elmar Schenkel, Kati Voigt: Sonne. Mond und Ferne. Der Weltraum in Philosophie, Politik und Literatur. Peter Lang Verlag 2013
Johannes Kepler: Der Traum, oder: Mond Astronomie. Somnium sive astronomia lunaris. Mit einem Leitfaden für Mondreisende von Beatrix Langner. Matthes und Seitz, Berlin 2011
Rainer Eisfeld: Mondsüchtig. Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt. Zu Klampen Verlag 2012
Florian M Nebel: Die Besiedelung des Mondes. LV Buch 2019
Cornelius Granig: Darknet: Die Welt im Schatten der Computerkriminalität,
Kremayr & Scheriau
Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus
von Shoshana Zuboff und Bernhard Schmid, Campus Verlag, 2018
Space is the Place: The Lives and Times of Sun Ra
von John Szwed, Canongate Books Ltd, 2000
Der Blick vom Mond: Reflexionen über Weltraumflüge (Beck'sche Reihe)
von Günther Anders, C.H. Beck Verlag
Fly Me to the Moon/ 50 Jahre Mondlandung
Katalog zur Ausstellung der Zürcher Kunstgesellschaft / Kunsthaus Zürich und im Museum der Moderne, Salzburg, 2019
Martin Thomas Pesl, Ulrike Schmitzer: Houston, wir haben ein Problem. Kuriose Geschichten aus der Raumfahrt. Edition Atelier 2018
LINKS
Memorandum For Members and Affiliates of the Intergalactic Computer Network
Richard Barber, The Advanced Research Projects Agency, 1958-1974
Leonard Kleinrock, The Day the Infant Internet Uttered its First Words
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