Maria Katharina Moser

SIMON RAINSBOROUGH

Gedanken für den Tag

Maria Katharina Moser über humanitäre Hilfe

"Die größte Katastrophe ist das Vergessen", meint Maria Katharina Moser, Direktorin der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie, anlässlich des Tages der Humanitären Hilfe. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Wenn eine Katastrophe passiert, liegt alles in Trümmern: Häuser, Straßen, das ganze Leben. Oft auch die Seele.

Jedes Mal, wenn Regentropfen auf das Wellblechdach trommeln, steigt Panik in Rosalia auf. Im November 2013 ist der Supertaifun Haiyan über ihr Haus im Fischerdorf Tinagan auf der philippinischen Insel Leyte hinweggefegt. "In meinem ganzen Leben habe ich keinen solchen Sturm erlebt, und ich bin jetzt 77", erzählt sie mir. "Ich habe geglaubt, wir überleben das nicht. Die Flutwellen waren fünf Meter hoch", sagt ihr Nachbar Lorenzo. "Das Meer hat unsere Boote verschlungen, unsere Einkommensquelle. Was sollen wir tun ohne Boote? Menschen mit Geld haben andere Möglichkeiten, wir nicht."

Leyte gehört zu den ärmsten Regionen der Philippinen. Das Leyte Center for Development, eine Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe, unterstützt die Menschen hier. Katastrophenhilfe ist für die Leiterin der Hilfsorganisation, Minet Jerusalem, Alltag. Sieben bis acht Katastrophen - Taifune, Überschwemmungen, Erdrutsche - zählt sie pro Jahr. Aber Haiyan hat Minet an ihre Grenze gebracht. Als der Taifun auf ihre Insel traf, war sie in Manila. Vier Tage später kam sie zurück, fuhr durch die vertrauten Straßen - und erkannte das Land nicht wieder. "Die Landschaft war völlig verändert", erzählt Minet. "Alles war mit einer braunen Schicht überzogen. Wir sind an unserem Büro vorbeigefahren, ich hab es nicht wieder erkannt. Und all die Leichen am Straßenrand. Seit 33 Jahren bin ich in der Katastrophenhilfe - und ich hatte zum ersten Mal das Gefühl: Am liebsten würde ich es machen wie andere, die die Möglichkeit dazu haben: Meine Sachen packen und weggehen."

Minet hat ihre Koffer nicht gepackt und weiter geholfen. Die Fischer haben neue Boote bekommen und ihre Arbeit wiederaufgenommen. Die Seele braucht länger zum Heilen. "Manchmal lächeln wir einfach, das hilft uns, das Trauma zu bewältigen", sagt Lorenzo. "Manchmal singen wir. Manchmal müssen wir aber auch schreien." Im Singen liegt Würde, genauso wie im Schreien.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Matthew Monfort
Titel: Ja Nam
Solist/Solistin: Ancient Future
Länge: 03:51 min
Label: PUT 244-2

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