Menschen halten sich an der Hand

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Radiokolleg - Ein Freund, ein guter Freund

Dem zwischenmenschlichen Phänomen auf der Spur (4). Gestaltung: Daphne Hruby

350 - so viele Freunde hat ein Durchschnittsamerikaner auf Facebook, bei jungen Erwachsenen umfasst die digitale Kumpelliste sogar meist 650 Namen. Dabei haben Menschen eigentlich üblicherweise nur drei wirklich gute Freunde, hinzu kommen noch zwölf "Durchschnittsfreundschaften", wie es der deutsche Psychotherapeut und Tiefenpsychologe Wolfgang Krüger nennt.
Dank des Internets stehen wir mit so vielen anderen Individuen in Kontakt, wie noch nie zuvor. Gleichzeitig fühlen sich immer mehr Menschen auf der Welt einsam. Chronisches Alleinsein macht krank. Diverse Studien belegen, dass isolierte Personen vermehrt psychische, aber auch körperliche Erkrankungen wie Herz-Kreis-Lauf-Beschwerden entwickeln und ebenso anfälliger für Infekte sind. Wer hingegen soziale Kontakte pflegt hat ein geringeres Risiko an Demenz zu erkranken. Gute Freunde sind also Balsam für Körper und Seele.

Aber was ist eigentlich ein guter Freund? Wir begegnen tagtäglich unfassbar vielen Menschen - ob nun in der U-Bahn, am Arbeitsplatz, im Supermarkt oder am Tresen beim Feierabendbier. Doch nur in den seltensten Fällen entsteht daraus dann tatsächlich eine engere Bindung. Dabei gilt: je häufiger wir eine Person sehen, desto sympathischer wird sie uns. Freundschaft hat also viel mit räumlicher Nähe aber auch mit Vertrauen zu tun. Laut Aristoteles gibt es drei Motive Kameradschaft zu jemand anderem zu schließen: wegen des Wesens, aus Nutzen, oder aufgrund von Lust.

Während besonders junge Leute ihre amourösen Abenteuer immer öfter per Knopfdruck - oder besser gesagt per Wischbewegung - im Internet finden, gestaltet sich die Suche nach beständigen Freundschaften doch um einiges komplizierter. Ob Männer und Frauen "nur" Kumpanen sein können, sorgt auch regelmäßig für Diskussionen. Unterdessen sind langjährige Liebespaare oft auch gleichzeitig gute Kameraden. Und dann gibt es noch die sogenannte "Freundschaft Plus". Die Grenze zwischen Bekanntschaft, Freundschaft und Liebschaft lässt sich nicht immer so leicht ziehen.

Nahebeziehungen bestehen aber nicht nur zwischen einzelnen Individuen - auch Staaten können sich untereinander verbünden. In bestimmten Parteien ist "Freundschaft" Grußwort und politischer Schlachtruf zugleich. Seilschaften wiederum sind in der Politik allgegenwärtig. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Klettersport - hier sollte das verbindende Seil allerdings den tödlichen Absturz verhindern und nicht den gesellschaftlichen Aufstieg à la Freunderlwirtschaft befördern.

Das zwischenmenschliche Phänomen Freundschaft beschäftigt auch seit Jahrtausenden die Kultur- und Wissenschaftswelt. Nicht selten entwuchs aus einer Kameradschaft zugleich eine Inspirationsquelle - sei es nun zwischen den Dichtern Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller oder bei Oliver Hardy und Stan Laurel - besser bekannt als Dick und Doof.

Service

LITERATUR:

"Freundschaft: beginnen - verbessern - gestalten" von Wolfgang Kürger. Erschienen 2015 in "Books on Demand".

"Wie man Freunde fürs Leben gewinnt: Vom Glück einer besonderen Beziehung" von Wolfgang Kürger. Erschienen 2010 im "Herder Verlag".

"Freundschaft und Fürsorge: Bericht über eine Sozialform im Wandel" von Janosch Schobin. Erschienen 2013 im "Hamburger Edition" Verlag.

"Soziologie der Freundschaft: Historische und gesellschaftliche Bedeutung von Homer bis heute" von Alexadra Rapsch. Erschienen 2004 im "Ibidem Verlag".

"Freundschaft Plus: 33 Geschichten von Friends with Benefits" von Alena Riha. Erschienen 2018 im "Schwarzkopf & Schwarzkopf Media" Verlag

"Laelius. Über die Freundschaft" von Marcus Tullius Cicero. Erschienen im "Reclam" Verlag.


LINKS:

"Liebe? Freundschaft! Wie besessen trachten wir nach Romantik - und vergessen dabei ein viel wertvolleres Gefühl" von Eva Illouz

Freundschaft bei Aristoteles

Ausstellung "Like You! Freundschaft digital und analog" im Museum für Kommunikation in Berlin


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  • Daphne Hruby