Frederico Fellini steht vor einem Portrait seiner Frau

AP/CLAUS HAMPE

Gedanken für den Tag

Christian Rathner über Federico Fellini

"Gaukler und Fantast". Christian Rathner, Filmexperte und Filmemacher, macht sich Gedanken zu Federico Fellini, anlässlich dessen 100. Geburtstags. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Venus steht im Wasser und lockt. "Komm her", sagt sie zu Marcello, dem Society Reporter und Schürzenjäger, gespielt von Marcello Mastroianni. Das Wasser des Trevibrunnens rauscht. Seine barocken Rundungen sind ein steinernes Echo ihrer weiblichen Formen. Es ist die berühmte Szene aus "La dolce vita" von Federico Fellini.

Die Venus ist eine amerikanische Filmdiva namens Sylvia, dargestellt von der blonden Schwedin Anita Ekberg. Vor wenigen Stunden erst ist sie angekommen, und das gleich zwei Mal, denn auf Zurufe von Fotografen und Kameraleuten verschwand sie wieder im Flugzeug, um dann umso strahlender noch einmal zu erscheinen, mit weit ausgebreiteten Armen. Beim Interview im Hotel wird sie gefragt, welche Figur der italienischen Geschichte sie gerne spielen würde. Sie antwortet ohne Zögern: Kleopatra.

Beim Besuch in St. Peter trägt die Venus priesterliches Schwarz. Am Abend, nach einer dionysischen Party in den Caracalla-Thermen, zieht sie mit Marcello zu dessen Freude noch einmal los. Dass sie einen Pelz trägt und ein weißes Kätzchen findet, hat einen tieferen Grund: In diesem Moment ist sie eine Mänade, eine Begleiterin des Gottes Dionysos, der für Rausch und Extase zuständig ist. Die Mänaden trugen Tigerfelle.

Marcello muss Milch besorgen. Als er zurückkommt, sieht er Sylvia im Trevi-Brunnen. Venus, die Göttin der Liebe, des Verlangens und der Schönheit, ist erschienen. Marcello steigt ins Wasser und geht zu ihr. Sie tauft ihn mit ein paar Wassertropfen. Aber als sich endlich der erste Kuss anbahnt, versiegt das Wasser. Sperrstunde in der Fontana di Trevi. Der Zauber verfliegt.

Später erzählte Marcello Mastroianni, er habe beim Drehen Angst davor gehabt, seine Hände zu zeigen, noch dazu vor Anita Ekbergs weißer Haut. Denn unzählige Zigaretten hatten bei dem starken Raucher an zwei Fingern der rechten Hand dunkle Spuren hinterlassen. Und tatsächlich: Wenn man's weiß, sieht man's. Die Anekdote macht noch einmal deutlich, worauf die ganze Venus-Sequenz vermutlich abzielt. Göttliches und Allzu-Menschliches. Das Erhabene als Vexierbild des Banalen. O süßes Leben.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Nino Rota/1911-1979
Bearbeiter/Bearbeiterin: William Ross /Arrangement
Album: THE FELLINI ALBUM - THE FILM MUSIC OF NINO ROTA
* VII. La dolce vita (00:02:31)
Titel: La dolce vita / Suite aus dem gleichnamigen Film für Orchester arrangiert von William Ross
Anderssprachiger Titel: Das süße Leben
Leitung: Riccardo Chailly
Orchester: Filarmonica della Scala
Länge: 02:31 min
Label: Decca 4832869

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