Beethovenstatue

APA/AFP/INA FASSBENDER

Gedanken für den Tag

Michael Krassnitzer über Ludwig van Beethoven

"Götterfunken und Schicksalsklang". Himmlisches und Irdisches bei Ludwig van Beethoven findet Michael Krassnitzer, Journalist und Musikliebhaber, in der Woche zum Ö1-Beethoventag. - Gestaltung: Alexandra Mantler

In jener Epoche, in der Ludwig van Beethoven lebte, schritt die Säkularisierung in großen Schritten voran. Einfluss und Bedeutung der christlichen Religion gingen in Europa immer mehr zurück.

Zugleich schlüpfte die Kunst in die Rolle der Religion. Es ist kein Zufall, dass wir in Zusammenhang mit Konzert- oder Opernhäusern, aber auch von Theatern und Museen, von "Kunsttempeln" sprechen. Das Wort "Andacht" wird plötzlich im außerreligiösen Kontext verwendet: Musik wird andächtig gehört, Bilder andächtig betrachtet. Gerade die Musik vermag Emotionen hervorzurufen, die religiösen Gefühlen gleichen. Der Schriftsteller Alfred Kerr bezeichnete zum Beispiel das Allegretto von Beethovens Siebter Sinfonie als "Choral der Glaubenslosen".

Beethoven war zu Lebzeiten ein Hohepriester der neuen Religion der Kunst. Er verlangte von seinen Zuhörern Heiligen Ernst. "Für solche Schweine spiele ich nicht": Mit diesen Worten brach er einmal ein Konzert ab, weil Teile des Publikums währenddessen miteinander plauderten.

Nach seinem Tod wurde Beethoven in den Status einer Gottheit der Religion Kunst erhoben. Eine Büste oder ein Porträt des Komponisten gehörten zu einem bürgerlichen Haushalt wie der Herrgottswinkel zur Bauernstube.

Es ist interessant, dass es im Menschen offenbar ein Bedürfnis nach Glauben gibt. Wenn herkömmliche Religionen an Legitimität verlieren, werden sie durch Glaubenssysteme ersetzt, in denen nicht mehr Götter, sondern Menschen und deren Hervorbringungen im Mittelpunkt stehen.

Ich denke, Musik ist gar keine schlechte Religion. Auch dort geht es zwar nicht ohne Auseinandersetzungen, man denke nur an die Diskussionen: "Brahms oder Bruckner", "Beatles oder Rolling Stones". Aber das hält sich in Grenzen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Religionen bringt Musik die Menschen nicht regelmäßig dazu, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven/1770 - 1827
Titel: Symphonie Nr.7 in A-Dur op.92
* Allegretto - 2.Satz (00:08:03)
Orchester: Wiener Philharmoniker
Leitung: Carlos Kleiber
Länge: 08:03 min
Label: DG 4158622

weiteren Inhalt einblenden