Medizin und Gesundheit

Wenn die Waffen stumpf werden

Über den sorglosen Umgang mit Antibiotika

Als der schottische Arzt Alexander Fleming im Jahr 1928 mehr oder minder zufällig einen Pilz entdeckte, der in der Lage war Bakterien abzutöten, leitete er damit die antibiotische Ära ein. Mit dem Penicillin, das rund 15 Jahre später vielen Menschen zur Verfügung stand, verloren zahlreiche zuvor tödliche Infektionskrankheiten wie Wundbrand, Lungenentzündung oder Diphtherie ihren Schrecken. Gleichzeitig warnte Fleming bereits damals vor falschem Einsatz, der zu Resistenzen und damit einer Wirkungslosigkeit der neuen Wirkstoffe führen könnte.

WHO warnt vor Resistenzen

Genau dort scheinen wir heute angekommen zu sein. Der sorglose Umgang mit Antibiotika führt dazu, dass Bakterien gegen diese Substanzen widerstandsfähig werden. Schließlich werden viele banale Infekte und virale Erkrankungen sicherheitshalber oder einfach nur routinemäßig auch mit einem Antibiotikum behandelt, ohne eine bakterielle Ursache festgestellt zu haben. Dadurch entwickeln die Bakterien zunehmend Gegenstrategien.
Während sich die Resistenzlage in Österreich noch günstig darstellt, ist die Situation in Entwicklungsländern, aber auch etwa in Griechenland deutlich dramatischer. Allein in den Ländern der Europäischen Union sterben nach Angaben der WHO pro Jahr rund 25.000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien, die in einer Gesundheitseinrichtung erworben wurden.
Die zunehmenden Resistenzen stellen ein weltweites Problem dar und könnten eine post-antibiotische Ära einleiten. Im schlimmsten Fall bedeutet das, wie vor der Entwicklung des Penicillins, keine effektiven Therapien gegen Bakterien im Köcher zu haben. Denn ohne Antibiotika kann jede bakterielle Infektion, von Scharlach bis zum Harnwegsinfekt, unter Umständen lebensbedrohlich werden.

Genaue Diagnose erforderlich

Klinisch ist eine virale von einer bakteriellen Infektion nicht immer zu unterscheiden. Allerdings kann ein CRP (C reaktives Protein)-Schnelltest bereits in der Hausarztpraxis einen Aufschluss über die Art der Erkrankung und die Notwendigkeit einer Behandlung mit einem Antibiotikum Aufschluss geben.

Forschungsstop und Alternativen

Neue Antibiotika mit anderen Wirkmechanismen sind kaum in Entwicklung. Um Antibiotika einzusparen ist nun die Therapie mit Bakteriophagen im Gespräch. Die Methode bedient sich spezieller Viren, die Bakterien abtöten, dem Menschen jedoch nicht gefährlich werden. Obwohl bereits 100 Jahre alt, hat sich die Behandlungsform hierzulande aufgrund der verfügbaren Antibiotika noch nicht etabliert. Da die Phagen billiger sind, haben etwa osteuropäische Länder jedoch bereits viel Erfahrung damit. Als "Antibiotika des Ostens" müssen sie aber erst die strengen Zulassungsverfahren der westlichen Länder absolvieren.

Antibiotic Stewardship für den rationalen Einsatz von Antibiotika

Zudem möchte man mit dem sogenannten "antibiotic stewardship" einer Zukunft ohne wirksame Antibiotika entgegentreten. Dieses Instrument soll den verantwortungsvollen Einsatz der Medikamente sicherstellen und Resistenzen hintanhalten. Neben ärztlicher Fortbildung werden Tools zum Nachweis der Erreger etabliert und Leitlinien umgesetzt. Da die Resistenzlage von geografischen Gegebenheiten abhängig ist, muss sie von Klinik zu Klinik neu bewertet werden. Auch Patientinnen und Patienten sollen vermehrt über diese Strategie aufgeklärt werden, denn oftmals sind sie es, die von den Ärzten die Gabe eines Antibiotikums einfordern.

Dr. Ronny Tekal spricht mit seinen Gästen in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors über die Folgen eines allzu laschen Umgangs mit Antibiotika und neue Konzepte, um auch in Zukunft gut gegen Bakterienattacken gewappnet zu sein.


Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.


Fragen:
Wird Ihrer Meinung nach zu sorglos mit der Verschreibung von Antibiotika umgegangen?
Fürchten Sie sich vor Resistenzen?
Sind Sie jemals mit einem Krankenhauskeim angsteckt worden?
Haben sich bei Ihnen Antibiotika bereist als wirkungslos erwiesen?
Wie oft wurden Ihre Kinder mit Antibiotika behandelt?
Fühlen Sie sich als Patientin/Patient ausreichend informiert?


Gestaltung und Moderation: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Studiogäste im Funkhaus Wien:

Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer
Facharzt für Innere Medizin
FA Infektionskrankheiten und Tropenmedizin
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin
Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin
Universitätsklinik für Innere Medizin, MedUni Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Tel.: +43/1/40400 44400
E-Mail
Homepage

OÄ. Dr.in Agnes Wechsler-Fördös
Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin
ehem. Antibiotikabeauftragte Ärztin der Krankenhaushygiene in der Rudolfstiftung Wien
Stellvertretende Leitung des Antimicrobial Stewardship Program der ÖGACH (Österreichische Gesellschaft für Antimikrobielle Chemotherapie)
Höfergasse 1A
A-1090 Wien
Tel.: +43/1/409 62 00
E-Mail
Homepage

Info-Links:

Österreichische Gesellschaft für antimikrobielle Therapie
Semmelweis-Foundation
Antibiotika müssen wirksam bleiben (Info-Folder der ÖGK, vorm. Kärntner GKK)
Minimed zu Antibiotika
Neues Antibiotikum mit ungewöhnlichem Wirkmechanismus (Science APA 2019)
Antibiotika-Konsum soll reduziert werden (ORF Kärnten, 2019)
Antibiotika - ÖGK
Mit Viren auf Bakterienjagd (Zeit.de, 2019)
Entdeckung des Penicillins - ein Zufall (Deutschlandfunk)
WHO zur Antibiotikaresistenz

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