Lichtwolken, Traumwolken, Kristallwelten

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Radiokolleg - Träume

Geheime Welt im Schlaf (1). Gestaltung: Katrin Mackowski

Die Wissenschaft vom Traum erlebt eine Renaissance. Traumaktivität teilen wir mit vielen Säugetieren; mit Kühen, Hunden, sogar mit Meerschweinchen. Nachts offenbart sich unsere biologische, tierische Seite, die sich mit der kulturellen und sozialen unseres Geisteslebens vermischt. Neurobiologische und psychoanalytische Forschung, aber auch die funktionelle Bildgebung, ermöglichen heute einen umfassenden Blick auf den nächtlichen Traum als ein überlebensnotwendiges Phänomen.

Träume sind existentiell

Warum? Weil der Traum zu unserer psychischen und körperlichen Gesundheit beiträgt, vor allem dann, wenn wir emotional bewegt sind, Lustvolles erleben oder auch wie gerade jetzt, in der Zeit der Corona-Krise, Angst haben. Schon Sigmund Freud wusste, dass der Traum der "Hüter unseres Schlafes" ist. Entscheidend ist, ob und wie wir das Erlebte verdauen und emotional verarbeiten können. Träume zeigen also, wie gut wir psychisch funktionieren.

Was passiert, wenn wir träumen?

Neurologen, Biologen und Psychoanalytiker sind sich darüber einig, dass unser Gehirn im Schlaf in einem "ursprünglicheren" Zustand ist als tagsüber. Genau darum sind Träume so verschlüsselt, auch wenn es universelle, scheinbar schlichte Träume vom Fliegen, Fallen oder Nacktsein gibt, die wir über diverse Ethnien hinaus, miteinander teilen. Sigmund Freud schrieb bereits 1899, dass die Traumdeutung der "Königsweg zum Unbewussten" ist. Dabei entzauberte er den Traum, zergliederte seine Struktur und beschrieb die Mechanismen von Verdichtung, Verschiebung und Entstellung. Aber was ist dieses Unbewusste, das sich im Traum, und vor allem in der Traumarbeit der Psychoanalyse zeigt? Der Traum eröffnet Einblicke in eine archaische, primitive Welt; das Denken und Fühlen in Bildern, in Ereignissen oder Szenen, die Sprache und Vernunft übertrumpfen. Psychoanalytiker sprechen vom primärprozesshaftem Erleben; ein Erleben, das Urmenschen und Kleinkinder teilen. Beide können zwischen Vorstellen und Handeln, Wunsch und Wirklichkeit, Illusion und Realität, nicht differenziert unterscheiden.

Träumen wir auch dann, wenn wir wach sind?

Der Traum, das wissen Traumforscher, ist ein psychotischer Zustand, der während des Schlafs auftritt. Er ist eine komplexe halluzinatorische Erzählung oder Szene mit oft wahnhaften Merkmalen. Doch tatsächlich zeigen sich Elemente dieser Verrücktheit auch im Wachzustand. In Versprechern, Fantasien, Kreativität, in unbewussten Wünschen und Gefühlen, in Trancen oder unseren Tagträumen.
Träume sind also keine magischen Botschaften oder Weissagungen, wie sie die Kulturgeschichte so schillernd erzählt, aber das magische Denken kann uns in jedem Alter beflügeln und zeigt sich in unseren Träumen als infantile, archaische Welt.

Service

Dominic Angeloch: Den Traum denken. Traum und Traumdenken bei Sigmund Freud, Hanna Segal und Wilfred Bion, In: Marie Guthmüller, Hans-Walter Schmidt-Hannisa (Hrsg.): Das nächtliche Selbst, Traumwissen und Traumkunst im Jahrhundert der Psychologie. Band II: 1900-1950, Seite 77 - 108 (Wallsteinverlag).


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Sendereihe

Gestaltung

  • Katrin Mackowski