Handschlag

AP/MILUKA MARTIN

Gedanken für den Tag

Veronika Prüller-Jagenteufel über Kompromisse

Veronika Prüller-Jagenteufel, theologische Referentin in der Caritas St. Pölten und Seelsorgerin für Demenzkranke, über einen Grundbaustein demokratischer Kultur

Seit Generationen spekulieren weise Menschen darüber, welche Frucht wohl der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse getragen haben könnte, den Adam und Eva genossen, um sich damit gleichsam die Erbsünde einzuverleiben. Die alten Lateiner verfielen auf den Apfel, vielleicht wegen der Wortgleichheit, malum, Apfel und malum, das Böse. Andere meinten, den Feigenbaum herausinterpretieren zu können, aus dem Feigenschurz, der danach kam. Etwas ausgefallener ein altösterreichischer Versuch, die Tomate als absolute Versuchung an den Paradies-Baum zu hängen, als Paradeiser.

Eine rabbinische Auslegung, die Baruch Apokalypse, hat eine noch eigenwilligere Deutung geboren, und ich bitte an dieser Stelle alle Winzer wegzuhören. Der Sündenbaum soll ein Weinstock gewesen sein und die fatale Frucht die Trauben. Zitat: Das ist der Weinstock, den der Satan gepflanzt hat, worüber Gott so zornig war. Und er verfluchte ihn und sein Gewächs, verbot dem Adam deshalb, daran zu rühren. Darum verführte ihn der Teufel aus Neid durch seinen Weinstock".

Das klingt reichlich kurios, passt aber andererseits nicht schlecht. Denn der Weintrunkene teilt die Welt sehr gerne in Schwarz und Weiß, kennt im Dusel nur noch beste Freunde oder schlimmste Feinde. Im Rausch also unterscheidet er besonders gerne und streng in Gut und Böse und er besteht dabei in alkoholischer Selbstüberschätzung darauf, recht zu haben. So liegt in der Baruch Apokalypse kein geringer Teil an Weisheit und auch Witz.

Diese Geschichte ist Jahrhunderte alt. Aber man kann ihren Scherz noch weiter treiben bis in die allerjüngste Moderne. Das Immer-mehr-wollen des Weintrinkers passt ja auch nicht so schlecht zum Immer-mehr-wollen der Schöpfungsüberforderungs-Gesellschaft. Tatsächlich verbrauchen wir jährlich ein Drittel mehr Rohstoffe, als nachhaltig regenerierbar wäre. Und so wie zum Rausch der Kater gehört, also die vollkommene Erschöpfung, so gehört die Erschöpfung auch zur exzessiven Ausbeutung des Planeten. Leider gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Kater vom Wein und dem Systemkater: Der Systemkater macht viel zu wenigen Menschen Kopfweh.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Gesamttitel: aus "5 Stücke im Volkston" für Klavier und Oboe op.102
Titel: Stück im Volkston für Klavier und Oboe op.102 Nr.3 - Nicht schnell, mit viel Ton zu spielen
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Solist/Solistin: Alfred Brendel /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4168982

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