Praxis - Religion und Gesellschaft

Ultraorthodox bis liberal - Jüdisches Leben in Wien

Oberrabbiner Engelmayer: Mit Humor und Optimismus in das Jahr 5781 +++ Liberal und jüdisch: Or Chadasch feiert online +++ Diskussion um Sterben auf Verlangen

1. Oberrabbiner Engelmayer: Mit Humor und Optimismus in das Jahr 5781

"Shana Tovà u-Metukà!" - ein gutes und süßes neues Jahr - das haben sich am vergangenen Wochenende Jüdinnen und Juden gewünscht und damit das Jahr 5781 laut jüdischer Zeitrechnung eingeläutet. Mit dem Fest Rosch ha-Shana haben die hohen jüdischen Feiertage begonnen, die der 44-jährige Jaron Engelmayer im Vorjahr noch als Gastrabbiner mit seiner Familie in Wien verbracht hat. Jetzt steht er als Oberrabbiner der Gemeinde vor. Keine einfache Aufgabe: Die Israelitische Kultusgemeinde hat derzeit um die 7.800 Mitglieder, ihre Bandbreite reicht von ultraorthodox bis liberal. Sein Vorgänger hat nach nur drei Jahren das Handtuch geworfen. Jaron Engelmayer ist in der Schweiz in einer zionistischen Familie aufgewachsen, war als Rabbiner in Köln tätig und hat die vergangenen fünf Jahre in Israel gelebt und gearbeitet. Wie er seine Funktion als Oberrabbiner anlegen will, verrät er Mariella Kogler im Interview - ebenso wie die kulinarischen Vorlieben seiner Familie. Der Oberrabbiner nimmt einen europaweit wachsenden Antisemitismus wahr, plädiert aber dafür, den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit "auf das jüdische Leben in seiner Vielfalt" zu richten, und "zu zeigen, dass es ein Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens hier ist". Trotz der Probleme angesichts der Corona-Pandemie blickt der Oberrabbiner hoffnungsvoll in das Neue Jahr 5781: "Wir haben schon ein paar Jahrtausende Geschichte hinter uns, das jüdische Volk hat vieles erlebt und eine kräftige Portion von Humor und Optimismus gehört dazu und deswegen lassen wir uns das auch in diesen Zeiten nicht nehmen. Wir schauen optimistisch in die Zukunft, hoffnungsvoll und gleichzeitig auch mit Gebeten, dass es besser wird."


2. Liberal und jüdisch: Or Chadasch feiert online

Einen Wechsel gab es kürzlich auch an der Spitze der Gemeinde Or Chadasch, was soviel bedeutet wie "Neues Licht": neuer Präsident ist der Journalist, Autor und Politologe Eric Frey. Or Chadasch vertritt ein liberales Judentum, das zum Beispiel auch für die Gleichberechtigung von Frauen in religiösen Belangen eintritt - so gibt es in dieser Strömung neben Rabbinern auch Rabbinerinnen. Ebenso sieht man Speisegesetze oder auch die Verbote am Schabbat hier lockerer: einen Computer zu bedienen ist orthodoxen Jüdinnen und Juden an Feiertagen nicht gestattet, anders bei Or Chadasch. Zu den hohen jüdischen Feiertagen erweist sich das als Vorteil, denn an den Feierlichkeiten und Gebeten kann man auch online teilnehmen. Avia Seeliger hat die Feierlichkeiten verfolgt und mit dem kürzlich neu gewählten Präsidenten Eric Frey gesprochen.


3. Diskussion um Sterben auf Verlangen

Der Österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) befasst sich derzeit in seiner Session nicht nur mit dem Kopftuchverbot in Volksschulen, sondern auch mit dem Verbot der aktiven Sterbehilfe. Die Beratungen dazu haben bereits im Juni begonnen. Am 24. September findet eine öffentliche Verhandlung statt. Es geht um das Verbot der aktiven Sterbehilfe und den assistierten Suizid. Vier Antragssteller fordern eine Lockerung der Paragrafen 77 und 78 des Strafgesetzbuches, denn, so die Argumentation, durch die bestehende Rechtslage seien leidende Menschen gezwungen, entweder entwürdigende Verhältnisse zu erdulden oder Sterbehilfe im Ausland anzunehmen - unter Strafandrohung für Helfende. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht vergangenes Frühjahr das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben und damit im weiteren Sinn auch auf den assistierten Suizid festgestellt. Maria Harmer hat zu diesem Anlass den katholischen Priester, Arzt und Medizinethiker Matthias Beck sowie Wolfram Proksch vom Beirat der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende zu einer Diskussion ins Studio gebeten. Im Ö1-Religionsmagazin "Praxis" sind noch einmal die beiden konträren Positionen für und gegen eine Lockerung der Sterbehilfe-Paragrafen zu hören.

Service

Israelitische Kultusgemeinde Wien
religion.orf.at: Der neue Oberrabbiner
Or Chadasch
religion.orf.at: "Ritual" in der liberalen Synagoge
Universität Wien: Matthias Beck
Hospiz Österreich
Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende

Sendereihe

Gestaltung

  • Judith Fürst