Ingrid Pfeiffer über Hände

30. September 2020, 06:56

Hände sind auch in diesen von Corona bestimmten Monaten, was sie immer sind, jedoch ins Negative gewendet und mit Verboten belegt. Nichts wird mit den Händen so spontan assoziiert wie Berührung. Gerade vor ihr aber wird gewarnt.

Denn Hände sind auch in dieser Hinsicht, was sie immer sind, nämlich Träger und Überträger. Und das ganze menschliche System vermag, was durch Berührung weitergegeben werden könnte, durch körpereigene Widerstandskräfte unter Umständen nicht auszugleichen. Also Hände weg! Weg von anderen Händen, vom eigenen Gesicht und von möglichst vielen Oberflächen. Immerhin werden viele Kinder die ärgerliche Ermahnung, die Hand zu geben, nun nicht hören müssen.

Doch im Ernst: Ein Prozess der Entfremdung ist im Gang. Wie wenig natürlich dieses Abstandhalten ist und wieviel Vertrautheit und Vertrauen in vielen von den Händen ausgeführten Gesten erzeugt und erhalten wird, kann man erst jetzt so recht be-greifen, wenn das an-greifen vermieden werden soll. Sich fern zu halten hat auch eine Entfremdung von sich selbst zur Folge. Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit derart kontrollierten Verhaltens geht es dabei nicht nur darum, auf Eingeübtes zu verzichten. Man fühlt sich der eigenen Natur entzogen. Ist das zu viel gesagt? Sind es zu starke Worte? Eine Momentaufnahme zwischen Einsicht und Überforderung. Aber: Schweigen die Hände, wenn sie im Schoß liegen - oder in Handschuhen verborgen sind?

Das Leben in der Großstadt, in permanenter Konfrontation mit vielen fremden Menschen macht die Einschränkung besonders deutlich und steigert Vorsicht, ja Misstrauen. Kaum mehr vorzustellen, wie sich Menschenmengen hinter Absperrungen drängen, um die Hand der vorbeikommenden berühmten Person zu schütteln.

Mit vertrauten Menschen ist es leichter, scheint mir. Zuneigung findet andere Ausdrücke und Gesten, die die Berührung ersetzen.

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