Blätter fallen von einem Ast.

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Gedanken für den Tag

Franz Josef Weißenböck über Tod und Leben

Um den eigenen Tod zu wissen, ist Auszeichnung und Last des Menschen. Hier komme auch die Religion ins Spiel, sagt der katholische Theologe und Autor Franz Josef Weißenböck

Die Erfüllung eines Wunsches kann ein Fluch sein. Das musste etwa der mythische König Midas erfahren. Die Sage erzählt, Midas habe den Wunsch gehabt, dass alles zu Gold werde, was er berührt. Der Gott Dionysos erfüllte ihm diesen Wunsch. Nun aber drohte Midas der Hungertod, denn Gold kann man bekanntlich nicht essen. Das ist übrigens - kleine Anmerkung für glaubensfeste Kapitalisten - bis auf den heutigen Tag so.

Auch für einen gewissen Raimondo Fosca wurde die Erfüllung eines Wunsches zum Fluch. Diese Geschichte erzählt Simone de Beauvoir in ihrem Roman "Alle Menschen sind sterblich". 1279 in Norditalien geboren, wird Fosca ein Trank angeboten, der unsterblich macht und nicht altern lässt. Bevor er das Elixier trinkt, erprobt er es an einer Maus. Das Tier trinkt von dem Elixier, worauf Fosca es mit der Faust zerquetscht. Die Maus aber erwacht zu neuem Leben, darauf trinkt Fosca von dem Elixier. Damit beginnt seine Wanderung durch die Jahrhunderte. Er ist Berater von Kaiser Maximilian, Entdeckungsreisender in Nordamerika, wird im beginnenden 19. Jahrhundert zum Revolutionär und lebt im 20. Jahrhundert in Paris. Auf seinem Weg durch die Zeit verliebt er sich in eine junge Frau. Die aber ist unfähig, Fosca zu lieben. "Ich ertrage es nicht", sagt sie, "von Händen gestreichelt zu werden, die niemals verwesen werden".

Nicht sterben zu können, niemals - eine grauenvollere Vorstellung ist für Fosca schon nach sechs Jahrhunderten nicht denkbar. Er und die kleine Maus, an der er das Elixier erprobte, würden eines fernen Tages allein sein auf der Oberfläche der Erde, als die letzten lebenden Wesen. Dieses Leben aber hat keinerlei Wert mehr, weder Schönheit noch Sinn.

Schönheit und Sinn hat das Leben gerade dadurch, dass es begrenzt und dadurch kostbar ist. Dem Tod der Opfer des Terroranschlags am Montagabend hingegen kann kein Sinn abgewonnen werden. Es bleiben Fassungslosigkeit, Zorn und Trauer und vielleicht die Hoffnung, dass der Schmerz eines Tages schwächer wird.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Vivaldi/1678 - 1741
Bearbeiter/Bearbeiterin: Brian Gascoigne
Titel: Konzert für 2 Mandolinen, Streicher und B.c. in G-Dur / Bearbeitung für 2 Gitarren
* Andante - 2.Satz (00:04:37)
Gitarrenkonzert, Mandolinenkonzert
Solist/Solistin: John Williams /Gitarre
Solist/Solistin: Carlos Bonell /Gitarre
Länge: 04:37 min
Label: CBS MK35108

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