Jussef Ghannam über sein Leben in Österreich

12. November 2020, 06:56

Im Sommer 2015 ist mein Bruder Abdul, der damals 19 Jahre alt war und in Aleppo Chemie studiert hat, nach Österreich geflohen. Die Kriegslage in Syrien war um diese Zeit so unübersichtlich geworden, immer mehr junge Leute aus unserem Umfeld sind in den Kämpfen und auf den Straßen gestorben, so dass mein Vater beschlossen hat auch meinen Bruder Noor und mich in Sicherheit zu bringen.

Wir haben uns an einem Mittwoch im Oktober nachts auf den Weg zur türkisch-syrischen Grenze gemacht. Beim ersten Versuch, in die Türkei zu kommen, sind wir von den türkischen Soldaten erwischt und zusammengeschlagen worden. Eine Narbe davon habe immer noch auf meiner Stirn. Wir haben es in derselben Nacht noch einmal versucht und uns bis nach Izmir durchgeschlagen. Der Rest der Flucht ist wie bei vielen Flüchtlingen verlaufen: Schlauchboot, Lesbos, Flüchtlingslager, Schiff und schließlich Zug und Bus nach Wien.

Wir sind in Wien-Hütteldorf ausgestiegen. Damals wusste ich natürlich nicht mal, wo ich bin. Wir wollten unseren Bruder Abdul anrufen, aber unsere Handys funktionierten in Österreich nicht. Die Passanten, die wir baten, uns ihr Handy für einen Anruf zu leihen, gingen einfach weiter. Es hat zwei Stunden gedauert, bis ein freundlicher und hilfsbereiter Mann schließlich meinen Bruder kontaktiert hat. Wie wir später erfahren haben, kam er aus Indien.

Wir waren zwar in Sicherheit, aber ich hatte keine Ahnung, wie es mit mir weitergehen würde. Ich war 15 Jahre alt und hatte für die Zeit nach meiner Flucht überhaupt keine Pläne. Ich wusste nichts über Österreich, hab kein Deutsch gesprochen und fühlte mich ausgeliefert.

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• Gedanken für den Tag

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• Alexandra Mantler

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• Nebenan: Syrien