Caritas-Präsident Michael Landau

APA/HELMUT FOHRINGER

Gedanken für den Tag

Michael Landau über Krisenbewältigung

"Blaupause für die Menschlichkeit". Caritas-Präsident Michael Landau spricht unter anderem darüber, warum in seinen Augen der Umgang mit der Corona-Krise zur Blaupause für den Umgang mit vielen anderen gegenwärtigen Krisen werden
könnte

Als mein Vater gemeinsam mit seinem Bruder und meinen Großeltern vor den Nazis fliehen musste, war er gerade einmal neun Jahre alt. Sie gelangten auf eines der letzten Schiffe, das Juden nach Shanghai in Sicherheit bringen sollte. Die Ausstellung "Die Wiener in China" im Jüdischen Museum erinnert an das Schicksal dieser Menschen.

Wir haben mit meinem Vater nicht oft über diese Zeit gesprochen. Etwas, das mir rückblickend leidtut. Nur ein Ereignis hat er immer wieder erwähnte: Die Novemberpogrome 38. Das kleine Bethaus nahe der Wohnung ist in Flammen gestanden, er konnte den Widerschein des Feuers an den Hauswänden sehen. Mein Vater hat erzählt, dass alte, fromme Männer noch versucht hätten, die Thorarollen zu retten. Ob vergeblich oder nicht, ich kann es nicht sagen.

Ich muss gestehen, dass ich auch daran denken musste, als der Attentäter vor wenigen Wochen nahe der Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse das Feuer eröffnet und um sich geschossen hat. Ich weiß nicht, wie mein Vater auf diese tragischen Ereignisse reagiert hätte. Er ist 2011 verstorben. Was ich aber weiß: Es war ihm ein Anliegen, seine Geschichte gegen Ende seines Lebens doch noch einmal zu erzählen. In einem Interview mit der "Shoah Foundation" ist sie dokumentiert. Auf die Frage, warum er dieses Interview gebe, hat er damals gesagt: Damit diese Geschichte nicht vergessen wird. Um den Anfängen zu wehren.

Ich bin überzeugt: Terror ist niemals gerecht. Egal in wessen Namen. Das Attentat von Wien richtete sich nicht nur gegen "den Westen", gegen sogenannte "Ungläubige" und die Demokratie. Es richtet sich ebenso gegen die überwiegende Mehrheit der Muslime, die friedlich in Österreich leben. Ich bin überzeugt, der Glaube an das Gemeinsame und die Überzeugung, dass dieses Gemeinsame stärker als das Trennende ist, sollten uns allen gerade in diesen Tagen heilig sein. Die Würde des Menschen ist unteilbar. Es gibt nur ein Maß: die Maßeinheit Mensch.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Yann Tiersen
Bearbeiter/Bearbeiterin: Daniel Capelletti
Album: RENAUD CAPUÇON: CINEMA
Titel: Suite aus dem Film "Le fabuleux destin d'Amélie Poulain" / "Die fabelhafte Welt der Amélie"
* La valse d'Amélie /J'y suis jamais allé / Comptine d'un autre éte: l'après-midi
Solist/Solistin: Renaud Capuçon /Violine
Orchester: Brussels Philharmonic
Leitung: Stéphane Denève
Länge: 03:55 min
Label: Erato/Warner 9029563393

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