Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Weihnachten in der Kunst

"Weihnachten im Spiegel der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, beleuchtet anlässlich der Weihnachtsfeiertage künstlerische Arbeiten, in denen die Zeit der Weihnacht im Mittelpunkt steht

Was für ein wunderbares kleines Tafelbild, denke ich mir jedes Mal, wenn ich an der um 1415 entstandenen "Geburt Christi" im Dom Museum Wien vorbeigehe. Das Bild ist Teil eines Ensembles, das zu einem gotischen Flügelaltar gehört hat und neben der "Geburt Christi" auch Motive wie die "Verkündigung" oder die "Anbetung der Heiligen Drei Könige" darstellt.

Zu sehen ist eine jugendliche Gottesmutter in einem schlichten Kleid. Sie kniet unter einem einfachen Satteldach vor dem nackten Jesusknaben, der in einem Strahlenkranz beinahe schwebend vor ihr liegt. Kunsthistorisch ist dieses Bild bemerkenswert, denn erstmals wird hier in der österreichischen Tafelmalerei Maria nicht wie zuvor im Wochenbett gezeigt, sondern in Anbetung vor dem Kind in der Strahlenmandorla. Ein Wandel in der Darstellung, der mit einer Vision der Heiligen Birgitta von Schweden zusammenhängt, die in der Geburtsgrotte von Bethlehem genau dieses Motiv vor sich gesehen haben soll.

Mich bezaubert dieses gotische Tafelbild mit seinen schlanken Figuren im sogenannten "Schönen Stil" aufgrund seiner reduzierten feinen Bildsprache und der klaren Farbigkeit. Es berührt mich aber auch wegen des emotionalen Sujets, konzentriert es sich doch auf das Wunder der Geburt und die Freude der Mutter darüber.

In meiner Jugend hatte ich natürlich weder von Kunstgeschichte noch von Theologie eine Ahnung. Und ich wusste auch nicht, welches Wunder es ist, ein Neugeborenes in den Armen zu halten. Aber Bilder wie diese Darstellung der Geburt Christi aus dem Dom Museum Wien habe ich dennoch geliebt. Genau wie Weihnachten. Niemals sonst im Jahr hat mich das Verhältnis von Dunkelheit und Licht in Form leuchtender Kerzen so fasziniert wie in den Tagen um den Heiligen Abend. Ich habe mich das ganze Jahr auf die Weihnachtsfeiertage mit meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Großmutter gefreut. Denn da waren die Momente bestimmend, die der Maler der gotischen Christi-Geburt-Szene festgehalten hat: Stille, Geborgenheit, Staunen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: traditionell
Bearbeiter/Bearbeiterin: Walter Baco /Arrangement
Gesamttitel: LEISE RIESELT DER SCHNEE (WALTER BACO)
Titel: Variation über Es ist ein Ros entsprungen
Ausführende: Walter Baco
Länge: 05:04 min
Label: ORF-Enterprise Musikverlag

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