Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Weihnachten in der Kunst

"Weihnachten im Spiegel der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, beleuchtet anlässlich der Weihnachtsfeiertage künstlerische Arbeiten, in denen die Zeit der Weihnacht im Mittelpunkt steht

Berührt und zugleich amüsiert stehe ich im Dom Museum Wien in unserer Ausstellung "Fragile Schöpfung" vor einem altmodischen, dunkelblauen Kinderwagen mit riesigen Rädern.

Darin liegt nicht wie zu erwarten ein Säugling, sondern es ragen lebendige Pflanzen heraus. Die skulpturale Installation des amerikanischen Künstlers Mark Dion tritt mit einem unmittelbar dahinter hängenden Renaissancegemälde von Alessandro Araldi, einer Leihgabe aus dem Stift Heiligenkreuz, in Dialog. Das Bild zeigt ein sakrales Motiv: Maria hält das Jesuskind liebevoll auf dem Schoß, sie blickt es zärtlich an, das Kind umklammert den Daumen der Mutter. Hinter Maria öffnet sich der Blick in eine weite, nahezu den halben Bildraum einnehmende Flusslandschaft.

Wenn ich die letzten Wochen an dieser Zusammenstellung vorbeigegangen bin, musste ich innehalten. Denn das Gemeinsame dieser beiden Werke hat mich über die Weihnachtszeit nachdenken lassen. Es fasziniert mich jedes Jahr aufs Neue, dass die Weihnachtsgeschichte so viele Menschen bewegt, egal ob sie einen Bezug zur Religion haben oder nicht. Die Menschen spüren, dass Weihnachten mit den zentralen Fragen des Lebens zu tun hat, geht es doch um Verwundbarkeit, um Hingabe, auch um Achtsamkeit.

Das Christentum feiert das Fest als Menschwerdung Gottes, der als verletzliches, schutzbedürftiges Kind nackt zur Welt kommt und die Fürsorge seiner Mutter braucht, wie Araldis Renaissancebild so wunderbar darstellt. Vor diesem Hintergrund kann Mark Dions Kinderwagen als moderne Krippe gesehen werden, schließlich bedeutet der Titel "Nursery" im Englischen sowohl "Kindertagesstätte" als auch "Baumschule".

Mit einer Prise Humor und dennoch im Kern zutiefst ernst macht der Künstler darauf aufmerksam, dass nicht nur der Mensch schutzbedürftig ist - sondern vor allem auch die ihn umgebende Natur. Vielleicht ist heuer ein guter Zeitpunkt, um der zentralen Botschaft von Weihnachten Platz einzuräumen, gerade weil so vieles anders, verstörend und ungewohnt ist.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: traditionell
Bearbeiter/Bearbeiterin: Walter Baco /Arrangement
Gesamttitel: LEISE RIESELT DER SCHNEE (WALTER BACO)
Titel: Variation über Still, still, weil's Kindlein schlafen will
Ausführende: Walter Baco
Länge: 02:00 min
Label: ORF-Enterprise Musikverlag

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