Zeichnung von Max Frisch

Max Frisch - DPA/FELIX KÄSTLE

Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt

"Die Verführbarkeit des Menschen". Anlässlich des 30. Todestages von Max Frisch und des 100. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt spricht der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk über Identität und Gewalt, über das Tragikomische, die Macht und die Verführbarkeit des Menschen

Die moderne Literatur nach dem 2. Weltkrieg unterscheidet sich von jener der Zwischenkriegszeit durch ein entscheidendes Moment, nämlich durch den Verlust von Vertrauen, von Hoffnung und Illusionen.

Das gilt nicht zuletzt für die ungleichen literarischen Freunde Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch. Die Frage nach Gott ist einer ganz anderen gewichen, nämlich jener nach dem Menschen. Das ist noch immer ein religiöses, weil existentielles Thema. Zumal, wenn man bedenkt, dass beide Fragen, die nach Gott und die nach dem Menschen, einander bedingen. Aus einer modernen Perspektive ist nämlich nicht Gott die Ursache alles Religiösen, sondern umgekehrt das Religiöse die Ursache für den in die Ferne gerückten, verschwundenen Gott. Mit ihm droht auch der Mensch zu verschwinden.

In einem frühen Werk von Max Frisch "Bin oder Die Reise nach Peking" begibt sich die Hauptfigur auf die Reise in ein imaginäres Peking, in die Mitte der Welt, in der er nie ankommen wird: "Ich ging in der Richtung einer Sehnsucht", heißt es da, "die alljährlich wiederkommt". Es ist ein "märzliches Heimweh nach dem Menschen", das nie zu Ende kommt, nie an sein Ziel gelangt.

"Ich bin nicht Stiller! - Tag für Tag, seit meiner Einlieferung ins Gefängnis (.) sage ich es, schwöre ich es und fordere Whisky, ansonst ich jede Aussage verweigere." So beginnt der wohl berühmteste Roman von Frisch. In diesem Werk ist auf einer individuellen Ebene sehr viel von dem die Rede, was heute zu einem Modewort geworden ist: Identität.

Das lässt sich auch an einem Drama Dürrenmatts aufzeigen: Seine "Physiker", Experten der Atomspaltung, haben sich in eine Irrenanstalt zurückgezogen, um sich dem gesellschaftlichen Druck zu entziehen. Sie setzen sich Masken auf, um ihre wahre Identität zu verbergen.

Ein Tagebucheintrag von Max Frisch berichtet über ein Gespräch einer Krankenschwester mit dem kranken Marion, einem Puppenschnitzer: "Sie nahm die Puppe in die Hand: ,Der sieht wie Jesus Christus aus.' Ja, dachte Marion, aber all die andern?"

Service

Max Frisch, "Bin oder die Reise nach Peking", Suhrkamp Verlag
Friedrich Dürrenmatt, "Die Physiker", Verlag Diogenes
Max Frisch, "Tagebuch 1946-1949", Suhrkamp Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Hanns Eisler/1898 - 1962
Bearbeiter/Bearbeiterin: Manfred Grabs/Zusammenstellung 1973
Album: HANNS EISLER: ORCHESTERWERKE
* Nr.1 Andante con moto (00:03:32)
Titel: Drei Stücke für Orchester
Orchester: Deutsches Symphonieorchester Berlin
Leitung: Hans E. Zimmer
Länge: 03:32 min
Label: Capriccio 10500

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