Zeichnung von Max Frisch

Max Frisch - DPA/FELIX KÄSTLE

Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt

"Die Verführbarkeit des Menschen". Anlässlich des 30. Todestages von Max Frisch und des 100. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt spricht der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk über Identität und Gewalt, über das Tragikomische, die Macht und die Verführbarkeit des Menschen

Es gibt heute eine weit verbreitete Erzählung, eine Legende: Sie besagt, dass Deutsche und Österreicher die katastrophalen Ereignisse, die mit der Machtergreifung Hitlers begannen und mit dem schmählichen Ende des Großdeutschen Reiches endeten, lange ,verdrängt' hätten.

Sie bilden in Max Frischs "Tagebuch 1946-1949" ein ganz zentrales Thema. Der Autor aus Zürich besucht die zerbombten Städte, reist nach München, Frankfurt, Berlin und übrigens auch nach Wien, wo er mit dem wieder instand gesetzten Riesenrad fährt. Das Geschehen zwischen 1938 und 1945 ist indes noch allgegenwärtig.

Beide Autoren haben keine zeitgeschichtlichen Werke geschrieben, die sich unmittelbar mit Nationalsozialismus und Shoah befassen. Aber in ihren Lehrstücken versuchen sie auszuloten, was hinter den dunklen Ereignissen steht: Es ist die Eigendynamik von Macht und Gewalt.

Beinahe vergessen ist Max Frischs unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verfasstes Lehrstück "Graf Öderland". Ein Staatsanwalt ist mit dem Fall eines braven unscheinbaren Angestellten beschäftigt, der grundlos einen Bekannten mit einer Axt erschlagen hat, ganz ohne Motiv, einfach so, wie er dem einfühlsamen Staatsanwalt versichert. Aber dann erfolgt im Stück eine unerwartete Wende. Der ausgebrannte Staatsanwalt wird, ohne greifbares Motiv, selbst zum Gewalttäter, der das ganze Land in Angst und Schrecken versetzt. Er schlüpft in die Gestalt einer Märchenfigur, des Grafen Öderland: "Graf Öderland geht mit der Axt in der Hand, Graf Öderland geht um die Welt."

Diese sinnlose, nihilistische Gewalt wird angetrieben von der Langeweile des Alltags und der Genugtuung über die eigene Gewichtigkeit. Etwas von diesem Dynamit schlummert in aller Gewalt. Frischs Schauerfigur ist nicht nur ein Nachhall auf die vielen großen und kleinen Gewalttäter des vergangenen Jahrhunderts.

Service

Max Frisch, "Tagebuch 1946-1949", Suhrkamp Verlag
Max Frisch, "Graf Öderland. Eine Moritat in zwölf Bildern", Suhrkamp Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Adolf Busch/1891-1952
Album: ADOLF BUSCH: KAMMERMUSIK FÜR KLARINETTE UND STREICHER
* Andante tranquillo - 3.Satz (00:02:38)
Titel: Duett in B-Dur für Violine und Klarinette op.26b - aus "Hausmusik" op.26
Solist/Solistin: Wolfgang Meyer /Klarinette
Solist/Solistin: Eisler Quartett /Mitglied
Ausführender/Ausführende: Elisabeth Weber /Violine
Länge: 02:38 min
Label: Avi 4260085532681

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