Die USA unter Biden

8. Jänner 2021, 13:00

1987 gab der damals 44-jährige Joe Biden erstmals seine Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten bekannt. Dieser Tage, mit 78, wird er das Amt schließlich dem sich mit Händen und Füßen wehrenden Donald Trump entringen. Nach beispiellosen Ausschreitungen, die der scheidende Präsident angestachelt hatte, wurde das Wahlergebnis in der Nacht auf Donnerstag (Ortszeit) doch noch vom Kongress ratifiziert. Gleichzeitig stand mit dem Ergebnis der Senatsstichwahl im Bundesstaat Georgia fest, dass die Biden-Administration mit einer Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments starten kann.

Joe Biden, spätestens seit seiner Vizepräsidentschaft unter Barack Obama über die Grenzen hinaus bekannt, hat jahrzehntelange Erfahrung im politischen Geschäft. Der Jurist überwand sein Stottern schon als junger Erwachsener und gilt als guter Rhetoriker; aber er ist auch bekannt für seine Versprecher, pflegt zuweilen einen aus der Zeit gefallenen Humor und hat gegenüber Frauen mitunter die Umgangsformen eines älteren Herren an den Tag gelegt, der für charmant hält, was längst als übergriffig gilt. Ein Vorwurf offener sexueller Gewalt ließ sich nicht bestätigen.

Wie wird die Biden-Harris-Administration politisch agieren? Biden gilt als Zentrist, nach europäischen Maßstäben sogar eher konservativ. Das linke Lager der Demokraten um Bernie Sanders und Elizabeth Warren hatte er in den Vorwahlen erneut in die Schranken gewiesen. Vorstellungen der Progressiven finden sich dennoch in seinem Wahlprogramm wieder - für republikanische Kommentator/innen genug, um den antretenden Präsidenten "weit links" zu verorten. Europa und die internationale Gemeinschaft geben sich indessen verhalten optimistisch und erhoffen sich zumindest im Stil der Beziehungen eine Rückkehr zur Normalität nach der Ära Trump.

Bidens "Running Mate", die 55-jährige designierte Vizepräsidentin Kamala Harris, gilt als pragmatische ehemalige Generalstaatsanwältin. Ihr wird großes Vertrauen in das Rechtssystem, aber auch ein Hang zu Law-and-order-Politik nachgesagt. Im Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur scheiterte sie Beobachter/innen zufolge, weil sie sich nicht klar genug positionieren konnte.

Ein detailliertes politisches Programm spielte in der öffentlichen Debatte bisher keine große Rolle, sagt die langjährige ORF-Korrespondentin Hannelore Veit. Vor der Wahl sei das Duo hauptsächlich als "Anti-Trump"-Plattform angetreten; und nach dem Amtsantritt werde zunächst alles auf die Bekämpfung der Covid-Pandemie und der angeschlossenen Wirtschaftskrise gerichtet sein. Erst dann gibt es wohl eine Chance, umfassende eigenständige politische Akzente zu setzen.

Hannelore Veit beendete zum Jahreswechsel ihre Tätigkeit für den ORF, nachdem sie einen Teil der Obama- und die Trump-Ära als leitende Korrespondentin in Washington begleitet hatte. Ihr aktuelles Buch gemeinsam mit David Kriegleder heißt "USA - Stimmen aus einem gespaltenen Land" und ist im Residenz-Verlag erschienen. Im Gespräch mit Xaver Forthuber und unseren Hörerinnen und Hörern versucht sie einen Ausblick auf die Ära Biden.

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Service

Hannelore Veit und David Kriegleder, "USA - Stimmen aus einem gespaltenen Land", Residenz Verlag Wien 2020

Sendereihe

• Punkt eins