Zeichnung von Max Frisch

Max Frisch - DPA/FELIX KÄSTLE

Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt

"Die Verführbarkeit des Menschen". Anlässlich des 30. Todestages von Max Frisch und des 100. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt spricht der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk über Identität und Gewalt, über das Tragikomische, die Macht und die Verführbarkeit des Menschen

Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt schreiben Lehrstücke. Keine im Geiste des Marxismus wie ihr großes Vorbild Brecht, sondern im Geist der Skepsis. Etwa gegenüber dem Phänomen der Macht.

Gewalt und Macht lassen sich gewiss voneinander unterscheiden, sind aber zuweilen Komplizen. In Frischs dramatischer Fabel "Andorra" scheint ein fiktiver autoritärer Kleinstaat von einem nicht näher benannten mächtigen "schwarzen" Nachbarland bedroht. Der junge Andri, von dem es heißt, dass er von der anderen Seite stammt und ein adoptierter Jude ist, wird zum klassischen Sündenbock. Ihn, den Fremden, zu opfern, bedeutet den Zusammenhalt in Andorra zu sichern. Der Doktor erläutert Andri, dass der "Jud" allen alles wegnimmt, bis den Menschen nur mehr die Heimat bleibe.

Ein harmloserer Fremder begegnet uns in Dürrenmatts Kriminalroman "Das Versprechen" in der Gestalt eines Hausierers. Als ein Schulmädchen einer einheimischen Familie im Dorf ermordet wird, fällt der Verdacht sofort auf ihn, was den opportunistischen Kommissar Henzi dazu veranlasst, ihn fälschlicherweise und nach einem erpressten Geständnis zum Täter und damit zum Opfer zu machen.

Von der Macht der Heimtücke und der Heimtücke der Macht handelt Dürrenmatts ,Komödie' "Der Besuch der alten Dame", in der eine Millionärin in ihre alte Heimat, ein Provinzstädtchen, zurückkehrt. Sie will sich dafür rächen, was ihr angetan wurde. Sie tut das wohlkalkuliert: Wenn die Verantwortlichen bereit sind, ihren einstigen Geliebten, der sie durch eine Falschaussage gedemütigt und vertrieben hat, auszuliefern, wird sie der alten Heimat viel Geld stiften. In ihrem Racheplan steckt eine doppelte Demütigung, bestraft sie doch nicht nur den meineidigen Freund von damals, sondern symbolisch auch ihre Heimatstadt, von der sie zu Recht annimmt, dass sie den Mann opfern wird. Dieser böse Mechanismus besitzt bis heute Anziehungskraft, weil er, scheinbar, entlastet. Wir sind gut beraten, ihm zu widerstehen, wo immer er sichtbar wird.

Service

Max Frisch, "Andorra", Suhrkamp Verlag
Friedrich Dürrenmatt, "Das Versprechen: Requiem auf den Kriminalroman", dtv
Friedrich Dürrenmatt, "Der Besuch der alten Dame. Eine tragische Komödie", Verlag Diogenes

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Hanns Eisler/1898 - 1962
Vorlage: Wladimir Bill Bjelozerkowski/1885 - 1970
Album: HANNS EISLER: ORCHESTERWERKE
* 14. Pantomime. Allegro spirito (00:02:45)
Titel: Sturm Suite für Orchester aus der Bühnenmusik zu dem sowjetischen Revolutionsstück "Sturm" von W.Bill Bjelozerkowski
Orchester: Deutsches Symphonieorchester Berlin
Leitung: Hans E. Zimmer
Länge: 02:45 min
Label: Capriccio 10500

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