Thomas Bernhard

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Gedanken für den Tag

Hubert Gaisbauer über Thomas Bernhard

"Zwei Minuten Finsternis" - Thomas Bernhard. Zum neunzigsten Geburtstag. Ein Nachdenken. Ja, man darf Thomas Bernhard lieben, meint Kulturpublizist Hubert Gaisbauer

In den Filmen von Krista Fleischmann mit Thomas Bernhard gibt es viele eindrucksvolle Momente. Einer ereignet sich im Museo del Prado in Madrid. Thomas Bernhard nähert sich auf seinem Rundgang den Porträts zweier missgebildeter Hofnarren, zweifellos die radikalsten Porträts von Velázquez.

Mit ihren physischen und psychischen Besonderheiten sind sie im Gegensatz zu dem hierarchischen Zeremoniell des Hoflebens. Ausdruck von Belustigung, Abscheu und Mitleid. Bernhard geht ganz nahe an die Gemälde, berührt sie nahezu mit der Nase und spricht zu sich - fast ehrfürchtig - von "diesen Idioten als die wahren Herrscher und Könige", inmitten der Porträts des spanischen Herrscherhauses.

Spaßmacher sind nicht zum Lachen. Die Hofnarren von Velázquez haben auch etwas Kindliches an sich, etwas, das anrührt. Kindlichkeit, das ist es auch, was sich Thomas Bernhard erhalten wollte, wie er sarkastisch anmerkte. "Augen zu, Mund auf, das ist das Weltgeheimnis, das man sich erhalten muss bis ins hohe Alter." In Erinnerung an den Großvater mütterlicherseits, meinte er einmal, dass er gerne mit möglichst alten Menschen zusammen gewesen wäre, "zum Greis gehöre das Kind!"

In seinem letzten Roman "Auslöschung" räsoniert der Ich-Erzähler - und damit natürlich Bernhard selber - über das Narrentum und über die Übertreibungskunst: "Um etwas begreiflich zu machen, müssen wir übertreiben" und "ohne Übertreibung wären wir zu einem entsetzlich langweiligen Leben verurteilt", schreibt er. Wenn wir dann Gefahr laufen, zum Narren erklärt zu werden, so Bernhard, stört uns das im höheren Alter nicht mehr. Ja, es wäre das höchste Glück, ein Altersnarr zu sein. Denn "das Narrentum ist es, das uns glücklich macht." Das Leben hätte ja alle Augenblicke etwas zum Lachen bereit. Wenn er, Thomas Bernhard, schlechter Stimmung wäre, dann nähme er am liebsten eines seiner eigenen Bücher zur Hand, da könne er immer beim Lesen lachen.

Service

"Der Ignorant und der Wahnsinnige" und "Ein Fest für Boris" in: Thomas Bernhard, "Stücke I", Suhrkamp Verlag
Thomas Bernhard (Hg.), "Christine Lavant. Gedichte", Bibliothek Suhrkamp
Thomas Bernhard, "Ereignisse", Suhrkamp Taschenbuch
Thomas Bernhard, "Heldenplatz", Verlag Suhrkamp
Thomas Bernhard, "Wittgensteins Neffe. Eine Freundschaft", Verlag Suhrkamp
Thomas Bernhard, "Holzfällen. Eine Erregung", Verlag Suhrkamp
Thomas Bernhard, "Auslöschung. Ein Zerfall", Verlag Suhrkamp
Thomas Bernhard, "Gesammelte Gedichte", Verlag Suhrkamp

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Titel: Französische Suite für Klavier Nr.2 in c-moll BWV 813
* Allemande - 1.Satz (00:02:36)
Solist/Solistin: Glenn Gould /Klavier
Länge: 02:36 min
Label: CBS MK42267

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