Louise Bourgeois' "Spider"

AFP/TIMOTHY A. CLARY

Radiokolleg - Positionen in der Kunst

Louise Bourgeois (4). Gestaltung: Thomas Mießgang

Louise Bourgeois - Die Kunst der Spinnenfrau
"Spiderwoman" hieß eine Dokumentation über Louise Bourgeois, und das zu Recht. Denn die überdimensionale stählerne Skulptur einer Spinne mit dem Titel "Maman", die im Jahr 2000 die Londoner Tate Modern eröffnete, ist so etwas wie ein Signature-Piece der Künstlerin geworden.
Spinnen waren für Bourgeois, die 1911 in Paris geboren wurde, aber seit 1938 in New York City lebte, keine negativ konnotierten Tiere, sondern dienten ihr als symbolische Repräsentationen ihrer Mutter, der Weberin und Hegerin ihrer Jugend.

Zum Vater hingegen hatte sie eine problematische Beziehung: Er betrog die Mutter mit dem englischen Kindermädchen, machte sich über die Tochter am Esstisch lustig und war auch sonst offenbar ein unangenehm autoritärer Charakter. Bourgeois revanchierte sich Jahre später mit den Rauminstallationen "The Destruction of the Father" und "The Reticent Child".
Das familiäre Beziehungsdreieck Mutter-Vater-Kind war für die Künstlerin eine unerschöpfliche Quelle künstlerischer Anverwandlungen traumatischer Kindheitserlebnisse. Und indem sie sich tief in die Seinsschichten ihrer Existenz eingrub, wurde sie gleichzeitig zur ästhetischen Innovatorin:
Bourgeois gilt als Pionierin der installativen Kunst, die sie entwickelte, indem sie Skulpturen als zusammenhängende Teile in einem räumlichen Kontext arrangierte. In den 1940 Jahren arbeitete sie vorwiegend mit Farbe auf Papier, wobei sie schon Elemente und Motive verwendete, die in späteren Werkgruppen großen Raum einnehmen sollten, darunter auch die Spinne. Es sollten Jahrzehnte vergehen, ehe die eigenartige, eigenständige und beunruhigende Kunst von Louise Bourgeois, in der Nabelschnüre und züngelnde Kahlköpfe, deformierte weibliche Körper und gewindeartige vertikale Verstrebungen vorkommen, in ihrer Bedeutung erkannt und gefeiert wurde.

Erst als schon ältere Frau wurde sie zum Superstar, der im Salon in Chelsea Künstler zur Audienz empfing und nun vor allem an "Cells" arbeitete - komplexen installativen Arrangements, die durch Gitterstrukturen oder Fenster eingehegt werden und mysteriöse Torsi und vernähte Puppen, alte traurige Kleidchen und Strümpfe neben hinterhältig hybriden Schöpfungen, die aufs Abstrakte verweisen, beherbergen.

1958 versuchte Louise Bourgeois ihr künstlerisches Programm in einen Aphorismus zu kleiden:
"I have to control space because I cannot stand emptiness/ emptiness is a space the edge of which you do not know and you are not sure of -." Es geht also um die Kontrolle des Raumes, vielleicht auch als therapeutische Selbstheilungsmethode: Louise Bourgeois, könnte man spekulieren, schuf ihr singuläres Oeuvre, um der bedrohlichen Leere, dem Abyssos, standzuhalten.

Zum internationalen Frauentag am 8. März erscheint auf mumok digital ein Blogbeitrag über eine frühe Arbeit der Künstlerin, die auch im Rahmen der großen Sammlungsausstellung Enjoy - die mumok Sammlung im Wandel ab 19. Juni ausgestellt wird.

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  • Thomas Mießgang