Johanna Schwanberg

APA/ROLAND SCHLAGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Frauen in der Kunst

"Frauenbilder in Kunst und Leben". Die Direktorin des Dom Museum Wien über Frauen als Motiv, aber auch als Schöpferinnen von bildender Kunst

Was für ein unglaubliches Bild und was für eine unglaubliche Geschichte! Eine kräftige, muskulöse Frau greift sich mit der einen Hand an die Brust. In der anderen hält sie einen Dolch. Skeptisch und zugleich forsch richtet sie ihren Blick nach oben. Der gedrehte Körper, die Faltenwürfe und die Helldunkelkontraste tragen zur Dramatik dieses Gemäldes genauso bei wie die das Bild bestimmenden Farben Rot, Weiß und Schwarz. Gemalt hat es die Barockmalerin Artemisia Gentileschi in den 20er-Jahren des 17. Jahrhunderts.

Das Motiv ist eines der Grauenvollsten der Kulturgeschichte. Jedes Mal, wenn es mir auf Bildern begegnet, bin ich schockiert. Denn es erinnert an ein Thema, das leider bis heute aktuell ist: die sexuelle Gewalt an Frauen. Bei der Dargestellten handelt es sich um die mythische Figur der "Lucretia", die aufgrund ihrer Tugendhaftigkeit gerade seit der Renaissance als Inbegriff der keuschen idealen Ehefrau gilt. Denn Lucretia - so die Erzählung - begeht nach einer Vergewaltigung durch einen Kollegen ihres Mannes Selbstmord, um ihre Ehrhaftigkeit wiederherzustellen. Nicht der männliche Täter, sondern das weibliche Opfer muss in dieser Geschichte mit dem Leben bezahlen. Viele Künstler haben diese Figur dargestellt: etwa Cranach, Veronese, Rembrandt. Bei Gentileschi bekommt das Bild durch die Biografie der Künstlerin besondere Brisanz. Denn sie selbst wurde als junge Frau von einem Malerkollegen ihres Vaters vergewaltigt.

Besonders spannend finde ich an diesem Bild den Moment des Reflektierens. Die Künstlerin zeigt hier keine passive erotische Frau, die ihr Schicksal ergeben und unhinterfragt hinnimmt. Vielmehr sind im Gesicht der Lucretia Angst und Zweifel zu sehen. Ist da niemand, der mir hilft, scheint sie zu fragen? Ein Gedanke, der auch heute noch Frauen durch den Kopf gehen mag, wenn Unrecht und Gewalt an ihnen geschieht, ohne dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann/1681 - 1767
Album: GEORG PHILIPP TELEMANN: WERKE FÜR FLÖTE
* Lucretia < Largo > - 3.Satz (00:02:42)
Titel: Introduzzione a tre in A-Dur aus "Der getreue Music Meister"
Solist/Solistin: Dan Laurin /Flöte
Solist/Solistin: Susanna Laurin /Flöte
Solist/Solistin: Maria Lindal /Violine
Solist/Solistin: Lisa Boden /Violine
Solist/Solistin: Margit Schultheiß /Doppelharfe
Solist/Solistin: Anders Modigh /Violoncello
Solist/Solistin: Leif Meyer /Cembalo
Leitung: Dan Laurin
Länge: 02:42 min
Label: BIS CD 855

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