Wie klingt Landschaft?

1. April 2021, 09:45

Friedrich Nietzsche hat sich nicht nur aus gesundheitlichen Gründen in den Bergen aufgehalten, Johann Wolfgang von Goethe seine winterliche "Harzreise" nicht zufällig angetreten.
Unbestritten macht sich um 1800 eine neue Naturbegeisterung Platz. Anfangs ist der Grund dafür noch ein wissenschaftlicher, doch schnell wird aus dem naturhistorischem Interesse Faszination, aus Faszination Sehnsucht und aus Sehnsucht Kunst. Denn: Dringt der Blick außen an die Grenze des Sichtbaren vor, führt der Weltblick automatisch nach innen.

Eine beginnende Industrialisierung und neue Fortbewegungsmittel wie Eisenbahn und Dampfschiff, zwingen den Menschen zum Kontrastprogramm. In Folge wird die Natur als die offizielle Gegnerin der Großstadt erklärt, der Verzicht auf Technik Ausdruck eines modernen Lebensgefühls. Das menschliche Maß des Schrittes hat jedoch nun eine andere Bedeutung: Aus der Erkundung der Natur formt sich eine Erfahrungssuche mit identitätsstiftender Praktik. Das Wandern wird zur Lebensreise, der ferne Hügel zum symbolischer Erkenntnisweg voller Hürden, Spitzen und Abgründe. Und wie immer führt die Konfrontation mit dem Fremden zur Entdeckung des Eigenen und zu zahlreichen Neubewertungen von Landschaft.

Mentale Konstruktionen des "typischen" einer Nation werden in Landschaften eingeschrieben, etwa in die Hochebenen Schottlands, die Berggipfel der Schweizer Alpen und sogar in die pittoreske Wachau. Schritt für Schritt dienen Berge, Flüsse, Ebenen und das Meer immer weniger zur Erholung, sondern zur kulturellen Identitätsstiftung in der es weniger um Naturschilderung als um Naturerfahrung geht. Und vielleicht ist auch nach diesen vier Radiokolleg-Teilen der Blick in die alltägliche Umgebung ein anderer.

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Univ.-Prof. Dr. Stefan Schmidl
Musikwissenschaftler
Lehrbeauftragter für Musikgeschichte an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK)
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Senior Research Scientist - Audiovisuelle Medien am Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)

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Dr. Markus Bertsch
Kunsthistoriker
Leitung Sammlung 19. Jahrhundert an der Hamburger Kunsthalle
https://www.hamburger-kunsthalle.de/team

Rainer Guldin: Politische Landschaften. Zum Verhältnis von Raum und nationaler Identität (Edition Kulturwissenschaft 48, 2014)

Stefan Schmidl: Evokationen der Nation: Europäische Landschaften in symphonischer Musik (Schott Campus, 2017)

Thomas Noll/Urte Stobbe/Christian Scholl (Hg.): Landschaft um 1800. Aspekte der Wahrnehmung in Kunst, Literatur, Musik und Naturwissenschaft (Wallstein, 2012)

Christoph Dautermann: Alpenbegeisterung im Spiegel der Malerei des 19. Jahrhunderts: Abbild oder Projektion? (Michael Imhof Verlag, 2016)

Anke Fröhlich: Idyllische Utopien. Zwischen Empfindsamkeit und Klassizismus. Der Zeichner und Landschaftsmaler Johann Sebastian Bach d. Jüngere (1748-1778) (Evangelische Verlagsanstalt, 2007)

Birgit Verwiebe/Gabriel Montua (Hg.): Wanderlust: Von Caspar David Friedrich bis Auguste Renoir (Hirmer 2018)

Holger Birkholz/Nico Kirchberger/Peter Prange/

Sendereihe

• Radiokolleg

Gestaltung

• Andreas Maurer