Charles Baudelaire

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Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Charles Baudelaire

"Zwischen Moderne und Melancholie". Anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Baudelaire begibt sich der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk auf literarische Spurensuche

Charles Baudelaire, der literarische Provokateur, hat den modernen Dichter und damit die Autonomie der Literatur erfunden. In seinem schwarzen Habit ähnelt dieser dem des katholischen Geistlichen. Wie ein Fremder wandelt er durch die Welt. Sein Selbstbewusstsein bezieht er aus dem prächtigen Gefühl, in dieser verächtlichen Welt unnütz zu sein. Wie bei allen Romantikern prallen Sehnsucht und Verachtung hart aufeinander.

Die Natur ist für ihn Ostern, ein "Tempel, wo aus lebendigen Pfeilern zuweilen wirre Worte dringen". Konservativer Weltschmerz und anarchisches Aufbegehren gehen dabei ein merkwürdiges Verhältnis ein. "Die alten Klöster zeigen auf ihren großen Mauern die heilige Wahrheit in Gemälden", heißt es in dem Gedicht "Der schlechte Mönch". Zugleich aber bezichtigt sich das lyrische Ich, ein "schlechter" Eremit zu sein, der "seit der Ewigkeit in seinem verhassten Kloster umherirrt".

Der moderne Dichter, der im Schlamm des irdischen Lebens watet, ist ein Außenseiter, antibürgerlich, ein Bohèmien, der seine bürgerliche Herkunft nur schwer zu leugnen vermag. In der symbolischen Figur des Albatros hat er ihm ein prophetisches Profil verliehen. Der Lebensraum von Baudelaires königlichem Vogel ist der Azur des Himmels, das Reich des Geistes und der Freiheit. Ihn treibt eine Sehnsucht in himmlische Gefilde (oder ans Meer), weg von der finsteren Welt des Bösen. In "L'albatros" wird der Himmel zur Heimat des Dichters und die Erde zu seinem Gefängnis: "Der Dichter gleicht dem Fürsten der Wolken, der mit dem Sturm Gemeinschaft hat und des Bogenschützen spottet; auf den Boden verbannt, von Hohnschrei umgeben, hindern die Riesenflügel seinen Gang."

Das ist die pathetische Seite des modernen Dichters. Die andere besteht in einer eigentümlichen Nachfolge Christi, wird doch der Weltschmerz des Dichters zu seinem "einzigen Adel". Dieser sichert ihm, wie es im Gedicht "Bénédiction" (Segen) heißt, einen Sitz "in den Rängen der heiligen Legionen".

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Leo Ferre
Album: Historisches DIGAS Archiv, CD 6
Titel: Avec le temps
Solist/Solistin: Leo Ferre /Gesang
Orchester: Orchester Jean Michel Defaye
Länge: 04:22 min
Label: Barclay 8291492

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