Herwig Sturm über "Gewonnene Jahre" und "Weiße Kleider"

11. April 2021, 06:55

"Die über 80-Jährigen werden zuerst geimpft." Diese Meldung hat mich gefreut; sie zeigt eine große Solidarität unserer Gesellschaft mit den durch das Coronavirus besonders gefährdeten alten Leuten. Allerdings hat das doch lange gedauert, bis sie wirklich geimpft waren, manche warten noch immer.

Und die Isolation in dieser Zeit, gerade in den Altenheimen, war für sie und ihre Angehörigen sehr schmerzhaft. Viele blieben auf Grund der Corona-Einschränkungen sogar im Sterben einsam und allein; das ist unmenschlich und sollte nicht mehr vorkommen. Aus meiner Sicht ist die Impfung für alle eine große Erleichterung und bringt gerade den Alten "Geschenkte Jahre".

An ein großes Geschenk erinnert auch der heutige Sonntag; "Weißer Sontag" heißt er im Kirchenjahr. In der Frühzeit der Kirche wurden die Menschen, die Christinnen und Christen werden wollten, nach einer Vorbereitungszeit in der Osternacht getauft. Für die Täuflinge war das eine Lebenswende: aus dem Wasser der Reinigung in die Freiheit. Aus dem Kampf um Anerkennung in die Liebe. Aus der Ich-Sucht in eine Gemeinschaft fürs Leben. Als Zeichen für diesen Neubeginn bekamen die Getauften ein weißes Kleid und haben das am ersten Sonntag nach Ostern im Gottesdienst getragen.

Ein weißes Kleid, einen Neubeginn braucht unser Klima. Die Erderwärmung halte ich für ebenso gefährlich wie die Pandemie; allerdings ist diese Gefahr viel verborgener. Wir vergessen, dass fossile Energie Giftgase produziert; die Atmosphäre vergisst nicht. In Jerusalem hat es geschneit, und das heißt - so erklärte ein Meteorologe - dass die arktische Kälte am Nordpol bereits in Bewegung kommt. Das wunderbare Gleichgewicht der Strömungen in der Atmosphäre und in den Meeren ist schon gestört mit verheerenden Folgen.

Für das Überleben in der Pandemie gibt es Verhaltensregeln; sie werden vielfach ignoriert oder verspottet; retten wird uns erst die Impfung. Gegen die Erderwärmung gibt es keine Impfung, retten wird uns nur eine tiefgreifende Änderung unseres Verhaltens.

Die Jungen haben das begriffen: Mit ihren Freitagsdemos möchten sie die Mächtigen in Politik und Wirtschaft aufrütteln, endlich zu handeln. Viele Alte unterstützen sie. Sie kennen noch das Wirtschaften im Kreislauf der Natur und verbünden sich mit der jungen Ökologiebewegung.

Andere Gruppen nutzen den öffentlichen Raum: Sie pflanzen Blumen und Sträucher, sie bauen Gemüse und Obst an. Gemeinschaftlich und gratis für Wohlgefühl und Vitamine. Wanderer und Bikerinnen genießen die Schönheiten unseres Landes, nachhaltig und gesund. Immer mehr Leute beziehen Energie aus Wasser, Wind und Sonne. Sie alle schenken uns Jahre. Sie alle sind würdig der weißen Kleider.

Sendereihe

• Zwischenruf

Gestaltung

• Brigitte Krautgartner

Übersicht

• Gewonnene Jahre
• Nachhaltig leben