Epochenüberschreitende Stilbildung, Kapitel 1

8. Mai 2021, 13:00

Ein Gipfeltreffen zweier Musiker, die stilbildend musizierten: Coleman Hawkins, Tenorsaxophon, und Girolamo Frescobaldi, Tasteninstrumente.

Die Kategorie Sound ist es, die den Tenorsaxofonisten Coleman Hawkins zum nachhaltigen Jazzstilbildner machte. Vital plus kraftvoll plus sonor ist gleich Hawkins. Jazzkollege Billy Taylor formuliert es so: "Man hatte entweder einen größeren oder einen kleineren Ton als er. Nun, einen größeren konnte eigentlich keiner haben, glaube ich. Daher sollte ich richtiger sagen: Man hatte mit mehr oder weniger Erfolg einen kleineren Ton als er." Und James Moody notiert: "Mit allem Respekt vor Adolphe Sax, der wirkliche Erfinder des Saxophons war Coleman Hawkins."

Vorhang auf dann wieder in dieser Sendung für Signore Girolamo Frescobaldi, der mit seiner frühbarocken Tastenmusik Musikerkollegen aus ganz Europa inspirierte, und es geht immer noch um den Sound. Sie reisten alle nach Italien, um den Maestro persönlich zu erleben. Stilbildung heißt die heutige Ausgabe von le week-end, weil sowohl Coleman Hawkins als auch Girolamo Frescobaldi vielleicht nicht zur Liga der Allerbekanntesten zählen, ohne sie aber die Musikgeschichte anders verlaufen wäre. Frescobaldi ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Star. Die Konzerte, die er als Orgelvirtuose gibt, sind überfüllt. Er beeindruckt gar nicht so sehr als revolutionärer Neuerer - dazu hätte er im frühbarocken Italien viel mehr Melodiker sein müssen -, denn als genialer Vollender von Experimenten, die Komponisten wie Claudio Merulo mit ihren Toccaten vorgegeben hatten. In Italien gilt Frescobaldi nach seinem ruhmreichen Leben daher ziemlich bald als genialer, aber doch Schnee von Gestern. Frescobaldis wirkliche Groupies aber waren junge deutsche Organisten, die nach Rom pilgerten, um ihn spielen zu hören. Und ohne Frescobaldis Toccaten und Ricercare wären nördlich der Alpen niemals die berühmten Präludien und Fugen bis hin zu Johann Sebastian Bach entstanden. Aus dem zweiten Buch der Toccaten von Frescobaldi, diesmal von Fabio Bonizzoni auf einer italienischen Orgel aus 1565 gespielt: Ein wundersames Siebenminutenstück mit einem Subthema: Man kann auch mit einer Orgel flüstern.

Sendereihe

• Le week-end

Gestaltung

• Elke Tschaikner
• Christian Scheib