Menschen vor glühender Sonne

APA/HARALD SCHNEIDER

Gedanken für den Tag

Susanne Heine über Carl Gustav Jung

"Gott in mir". Anlässlich dessen 60. Todestages blickt die evangelische Theologin und Professorin für Religionspsychologie der Universität Wien, Susanne Heine, auf die herausfordernde Gedankenwelt C. G. Jungs

Nach der Trennung von Sigmund Freud 1913 fällt C. G. Jung in eine tiefe Krise, wird jahrelang von wilden Träumen und Bildern heimgesucht. Er schreibt alles auf, malt seine Traumfiguren, macht später daraus ein Buch. Für ihn entstammen diese Gestalten und Bilder der Tiefe des kollektiven Unbewussten, einem plastischen Gebilde, geformt durch "ewige Ideen und Urbilder": die Archetypen. Diese "Naturprodukte" handeln autonom und lassen Bilder und Symbole ins Bewusstsein aufsteigen als orientierende Leitbilder.

Die archetypischen Bildwelten können faszinieren: Schlangen, brennende Sonnen, Sphinxe, heilige Jungfrauen, die Mythen, Märchen und Religionen in West und Ost bevölkern. Für Jung die Urquelle menschlicher Erfahrungen, die sich in einer Bildsprache als ewiges Wissen niedergeschlagen haben. Jung betreibt religionswissenschaftliche Studien, reist in die USA, nach Afrika, Indien, sammelt religiöse Symbole und will ihre Botschaften entschlüsseln.

Solche Botschaften stammen nicht von außen, aus einer Offenbarung Gottes, wovon Schriften und Lehren sprechen. Für Jung gehen sie aus dem Inneren einer unbewussten Seelentätigkeit hervor. Frisch von der Leber spricht Jung von Gott, von Offenbarung oder vom kosmischen Christus, was sich heute kaum noch jemand getraut. Aber für ihn sind das "archetypische" Bilder des Selbst, der Ganzheit, der Ordnung. Die Ganzheit des Menschen ist an die Stelle der Gottheit getreten, sagt er.

Allerdings darf sich das Ich nicht von der Kollektivpsyche abspalten, sondern muss dem Unbewussten die Chance lassen, das Bewusstsein zu umgreifen, hereinzunehmen in den selbstregulierenden Gang der Natur, in das Selbst. Denn dort, in der Tiefe, werden im Fall von Konflikten die Lösungen vorbereitet. Die Archetypen mit ihren Bildern wirken für Jung in allen Menschen. Bald aber weitet er ihre Wirkung auf ganze Völker aus.

Service

Das C.G. Jung Lesebuch, 5. Auflage, Walter Verlag, 1998.
Aniela Jaffé: Erinnerungen, Träume und Gedanken von C.G. Jung, 11. Auflage, Walter Verlag, 1999.
Susanne Heine: Grundlagen der Religionspsychologie, Kapitel 8: C.G. Jung - die göttliche Natur, UTB 2528, Verlag Vandenhoeck&Ruprecht, 2005.


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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wolfgang Amadeus Mozart/1756 - 1791
Titel: Sonate für Klavier und Violine in Es-Dur KV 302 < 293b >
* Rondo. Andante grazioso - 2.Satz (00:06:38)
Violinsonate
Solist/Solistin: Itzhak Perlman /Violine
Solist/Solistin: Daniel Barenboim /Klavier
Länge: 06:38 min
Label: DG 410896-2

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