Zwischenruf

Maria Katharina Moser über die Wertschätzung des Alters

Maria Katharina Moser ist Direktorin der Diakonie Österreich

"Graue Haare sind eine Krone der Ehre, auf dem Weg der Gerechtigkeit wird sie gefunden", heißt es in der Bibel. Die Bibel bringt Menschen in hohem Alter große Wertschätzung entgegen. Dabei ist die Bibel realistisch. Sie sieht, dass mit dem Alter die Leistungsfähigkeit ab- und Gebrechlichkeit zunimmt. Was den alten Menschen auszeichnet, sind Lebenserfahrung und Weisheit.

Diese Wertschätzung des Alters fehlt heute vielfach. Anti-Aging-Produkte verkaufen sich gut. Von Altersschwemme und Überalterung ist die Rede. Wenn über Pflege diskutiert wird, dann steht häufig die Finanzierung im Vordergrund. Das löst bei Menschen im Alter, die Unterstützung brauchen, das Gefühl aus, in erster Linie ein Kostenfaktor zu sein.

Um das Alter zu würdigen, braucht es Bedingungen, die gutes Leben im Alter möglich machen. Gutes Leben im Alter, das heißt: Teilhabe, Selbstbestimmung und ein guter Wohn-Ort.

Das österreichische Pflegesystem ist jedoch stark auf medizinische und körperliche Pflege ausgerichtet. Und: Das System bestimmt das Angebot, nicht der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Menschen mit Pflegebedarf können sich im Wesentlichen nur zwischen Pflegeheim und mobiler Hauskrankenpflege entscheiden. Was es viel zu wenig gibt: Angebote der Alltagsbegleitung - mehrstündige Tagesbetreuung etwa Tageszentren, Besuchsdienste oder Betreuung nur in der Nacht.

Wie im Fall von Hilde S. Sie braucht Unterstützung im Haushalt und bei der Körperpflege. Durch ihre Einliegerwohnung im Haus der Tochter kann sie sich mit dem Rollator selbstständig bewegen. Das ermöglicht ihr, alleine zu bleiben, wenn die Tochter arbeitet. Wenn sie dringend Hilfe braucht, ruft sie die Tochter an oder aktiviert den Notruf mit ihrem Notrufarmband.

Hilde S. hat Demenz, die Symptome verstärken sich. Als sie eines Tages stürzt und es nicht schafft, Hilfe zu rufen, wird klar: Sie kann tagsüber nicht mehr alleine bleiben. Ihre Tochter erkundigt sich nach professioneller Unterstützung. 30 Minuten Morgenpflege werden ihr angeboten. Das hilft aber nicht wirklich weiter. Mehrstündige Begleitung gibt es vor Ort nicht. Bleibt nur das Pflegeheim. Obwohl Hilde, wie viele Menschen, lieber zu Hause in den vertrauten vier Wänden leben würde.

Die Diakonie hat mit "SING - Seniorenarbeit Innovativ Gestalten" ein Modell entwickelt, das diese Probleme an der Wurzel packt. Pflegelotsinnen überlegen gemeinsam mit den Betroffenen, wie sie leben wollen, welche Unterstützung sie dafür brauchen und welche Dienstleistungen es gibt. Wenn es kein passendes Angebot gibt, leiten die Pflegelotsinnen die Anfragen an Sozialorganisationen weiter, die gefordert sind, passende Angebote zu entwickeln. "Eingekauft" werden können die Angebote mit einem sachleistungsbezogenen "Autonomiebetrag".

So erhöht SING die Wahlfreiheit von Menschen im Alter und setzt Impulse für die Entwicklung von Pflegeangeboten, die den Wünschen und Bedürfnisse der Menschen gerecht werden.

"Wie willst du leben?" Diese Frage muss im Zentrum der Pflegereform stehen. Es geht um die Wertschätzung der Menschen, die im Alter Unterstützung brauchen. Gute Pflege ist eine Krone der Ehre, auf dem Weg der Gerechtigkeit wird sie gefunden.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Keiko Abe
Album: PETER SADLO: MARIMBISSIMO
Titel: Frogs - für Marimba
Solist/Solistin: Peter Sadlo /Marimba
Länge: 02:57 min
Label: Koch Schwann 314102 H1

weiteren Inhalt einblenden