Johanna Schwanberg

APA/ROLAND SCHLAGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über die Künstlergedenktage 2021

"Passion für die Kunst". Die Direktorin des Dom Museum Wien spürt bedeutenden Künstler/innen unterschiedlicher Jahrhunderte nach

Angelika Kauffmann - Familie zwischen Wunschtraum und Alptraum

Familie kann alles sein: ein Ort der Liebe, der Geborgenheit und der Solidarität, aber ebenso ein Ort der Gewalt, der Machtausübung und des Missbrauchs. Familie kann Wunschtraum und Albtraum zugleich sein. Das wurde gerade im Zuge der Coronapandemie und der zahlreichen Lockdowns überdeutlich.

Die bildende Kunst hat seit jeher Familiendramen und Familienfreuden festgehalten. Vor Erfindung der Fotografie dienten Bilder vor allem dazu, eine Familie in ihrer stolzen Einheit zu repräsentieren. Besonders eindrucksvoll zeigt dies eine Ölskizze der Malerin Angelika Kauffmann aus den Liechtenstein'schen Sammlungen. Im Oktober dieses Jahres wird des 280. Geburtstags von Angelika Kauffmann gedacht. Der Entwurf für ein großes dynastisches Gruppenbild entstand in den Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts. Es zeigt Maria Karolina, eine Tochter Maria Theresias, und ihren Mann Ferdinand IV. von Neapel. Sie werden uns, von sechs ihrer Kinder umgeben, in einer bukolischen Parklandschaft vor Augen gestellt. Die Komposition unterstreicht die traditionellen Geschlechterrollen - der Mann aktiv stehend, die Frau in zärtlicher Verbundenheit zu ihren Kindern sitzend. Insgesamt brachte Maria Karolina 18 Kinder zur Welt und übertraf damit noch ihre Mutter.

Mir ist dieses Bild in den letzten Jahren besonders ans Herz gewachsen, hatten wir es doch während der Pandemie im Rahmen unserer Familienausstellung im Dom Museum Wien über mehrere Monate zu Gast. Immer wieder habe ich mich in Kauffmanns Werk vertieft. Nicht nur, weil es eines der wenigen königlichen Familienbildnisse der Kunstgeschichte ist, das von einer Frau gemalt wurde, sondern auch, weil es mich aufgrund eines Details, das gar nicht gleich auffällt, ausgesprochen berührt. Inmitten der Kinderschar sehen wir einen Kinderwagen, in dem zunächst nur ein Tuch zu erkennen ist. Erst bei genauerem Hinsehen schimmert darunter ein weiteres Kind durch. Es dürfte sich um ein während des Malprozesses verstorbenes oder totgeborenes Kind handeln, das von Kauffmann übermalt wurde.

Kunst lehrt mich, genau hinzuschauen. Denn sie kann verbergen und zugleich enthüllen. Und sie macht gerade im Zusammenhang mit dem Thema Familie eines deutlich: Was emotional in Familien wirklich vor sich geht, spiegelt sich nicht an der Oberfläche wider. Es wird oft erst auf den zweiten Blick sichtbar.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wolfgang Amadeus Mozart/1756 - 1791
Titel: Symphonie Nr.34 in C-Dur KV 338
* Andante di molto, piu tosto allegretto - 2.Satz (00:06:45)
Orchester: Concertgebouw Orchestra Amsterdam
Leitung: Nikolaus Harnoncourt
Länge: 06:45 min
Label: Teldec 842703

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