AP/HUSSEIN MALLA
Radiokolleg - Das spekulative Zeitalter
Zukünftiges im Heute finden (1). Gestaltung: Julia Grillmayr
6. September 2021, 09:05
"Was wäre wenn ... ?" Mit dieser Frage beginnt jede Form der Spekulation. Das lateinische speculatio steht für Betrachtung, aber auch Ausspähen und Auskundschaften. Geblickt wird meist in eine nahe oder ferne Zukunft, aber auch alternative Gegenwarten und neu erzählte Vergangenheiten können Motor des spekulativen Denkens sein. In jedem Fall bedeutet Spekulieren ein Jonglieren mit Ungewissheiten. Der spekulative Finanzmarkt wettet auf Preisentwicklungen, die sich erst in der Zukunft manifestieren.
Spekulative Kunst, Design und Literatur denken sich Welten aus, die sich (noch) nicht mit unserer Alltagserfahrung decken. Die spekulative Philosophie fragt nach den letzten Dingen und rüttelt an den Vorstellungen von sicherem Wissen. Der spekulative Feminismus macht Science Fiction zum Werkzeug für Ermächtigung und Emanzipation. Diese Spekulationen bringen Zeitschlaufen in Bewegung. Die Zukunft wirkt auf die Gegenwart und die Gegenwart verändert die Vergangenheit, was wiederum neue Zukünfte hervorbringt.
Die Radiokollegreihe "Das spekulative Zeitalter" tastet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Potentiale und Gefahren dieser spekulativen Operationen ab. Menschen aus Design, Wirtschaft, Philosophie, Kunst und Kulturwissenschaft formulieren ihre Erwartungen ans Spekulieren und Fabulieren - trotz oder besonders in einer Zeit, die von dystopischen Zukunftsentwürfen und Verschwörungserzählungen wimmelt.
Service
Angesprochene und zitierte Texte:
Armen Avanessian: Metaphysik zur Zeit, Merve, 2018
Laurent Binet: Civilizations, Grasset, 2019 (Deutsch: Eroberung, rowohlt, 2020. Übersetzt von Kristian Wachinger; Roman)
Cherie Dimaline: Empire of Wild, Penguin Random House Canada, 2019; Roman
Donna Haraway: Staying with the Trouble, Duke University Press, 2016 (Deutsch: Unruhig bleiben, Campus Verlag, 2018. Übersetzt von Karin Harrasser)
Eva Horn: Zukunft als Katastrophe, S. Fischer, 2014
Ursula K. Le Guin: The Left Hand of Darkness, 1969 (Deutsch: Winterplanet. Heyne SF&F, 1974, Neuauflage als: Die linke Hand der Dunkelheit. Übersetzt von Gisela Stege; Roman)
Steven Shaviro: "Spekulativer Realismus für Anfänger", Texte zur Kunst #93, 2014
Urs Stäheli: Spektakuläre Spekulationen, Suhrkamp, 2007
Links:
Steven Shaviro: "Defining Speculation", Alienocene, 2019
Karin Harrasser: "In demselben Maß, wie die Wirklichkeit sich erschafft als etwas Unvorhersehbares und Neues, wirft sie ihr Bild hinter sich", In: Franz Thalmair (Hg.): Kunstraum Lakeside, Verlag für moderne Kunst: Wien, 2019
Hyperstition - ein Film von Christopher Roth in Zusammenarbeit mit Armen Avanessian, 2015
Forschungsprojekt "Speculative Space" an der HAW Hamburg
Designforscher Tom Bieling
Frühes Spekulatives Design: "Audio Tooth Implant" von James Auger and Jimmy Loizeau
Petja Ivanovas Spekulatives Design
Philosoph und Künstler Kilian Jörg
Das Institut für Kritische Verschwörungstheorie
Lisa Spalt und das Institut für poetische Alltagsverbesserung (IPA)
Forschungsprojekt "Science Fiction, Fact & Forecast" der Radiokolleg-Gestalterin zu Spekulativer Literatur und Zukunftschau
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