Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über den Blick der Kunst auf Arm und Reich

"Armut und Reichtum in der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, spürt der Frage nach, welche Rolle die Kunst bei der Bekämpfung von Ungleichheit hat

Die Arbeitslosigkeit ist weltweit enorm gestiegen. Staatliche wie kirchliche Institutionen verzeichnen einen Ansturm bei Beratungen zur Wohnsicherung, Notschlafstellen werden überrannt. Ganz abgesehen von der unmittelbaren Gesundheitskrise und deren Auswirkungen auf mein privates wie berufliches Leben, hat mich in den letzten eineinhalb Jahren vor allem ein Thema beschäftigt: die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Bald war mir klar, dass es gerade jetzt für das Dom Museum Wien kein passenderes Thema für die nächste Jahresschau gibt, als ökonomische Ungleichheit.

Eines war mir von vornherein bewusst: Eine Ausstellung kann nicht unmittelbar gesellschaftspolitisch verändernd wirken. Sie vermag weder Armut zu lindern noch Ungleichheit zu verringern. Doch sie kann den Finger auf Wunden legen und Blicke verschieben. Vor allem kann sie Unsichtbares sichtbar machen. So erzählt die brasilianische Künstlergruppe "Projeto Morrinho", wie es um die Realität in einem Armenviertel Rios bestellt ist. Drei Mitglieder des mittlerweile international bekannten Kollektivs entwickelten in den nächsten Tagen im Hof hinter dem Museum eine skulpturale Installation, die dann in unsere Ausstellung wandert.

Die Kunst des "Projeto Morrinho" fasziniert mich vor allem durch ihre Verbindung von farbintensiver, spielerischer Sinnlichkeit und gesellschaftspolitischer Brisanz. Das Kunstwerk in unserer Schau wird aus einer dreidimensionalen Miniaturfavela und einem Film bestehen. Dieser schildert das Leben in den Slums genauso wie die Entstehung des Künstlerkollektivs durch die Initiative von Jugendlichen in den 1990er-Jahren. Damals begannen drei Buben ihre "kleine Favela" mit bunt bemalten Ziegelsteinen und Legofiguren am Rande des Armenviertels als Modell nachzubauen.

Mittlerweile ist das "Projeto Morrinho" zu einem 450 Quadratmeter großen "Dorf" angewachsen. Es hat sich zum Touristenmagneten und zentralen Sprachrohr des Armenviertels entwickelt, das seinen Bewohnerinnen und Bewohnern eine weltweit zu vernehmende Stimme verleiht, um ihre Geschichte zu erzählen. Sie handelt von einem von Gewalt, Drogen und Armut, Bandenkriminalität und Polizeigewalt geprägten Leben, bringt aber genauso deutlich zum Ausdruck, wie vorurteilsbehaftet der Blick auf die Bevölkerung von Armenvierteln ist, lebt doch gerade das "Projeto Morrinho" von Kreativität, Klugheit und sozialem Zusammenhalt.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Urheber/Urheberin: Layne
Urheber/Urheberin: Benjamin
Titel: ROLL IT (REGGAETON GEMSTAR VERSION)
Ausführender/Ausführende: J-Status Ft. Rihanna
Länge: 04:10 min
Label: Control/Edel CONTROL002 LC2182

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