Ein melancholischer Taugenichts

7. Oktober 2021, 11:05

Erst einen Tag ist Anna in San Remo, schon fühlt sich Maurizio gelangweilt und einsam. Anna, die alles hasst, was nicht vornehm ist, die nicht in ihn verliebt war und ihn trotzdem geheiratet hatte. Mit Verwunderung denkt Maurizio an all die Gegensätze zwischen ihnen, an seine Angewohnheiten, die sie ablehnt. Anna liebt Erinnerungen, aber seine Kindheitserinnerungen gefallen ihr nicht, sie findet sie langweilig.

Der erste Tag nach Anna Abreise vergeht langsam. Beim Essen spielt Maurizio mit dem Kind, danach beschließt er, noch auszugehen. Gedankenverloren schlendert er über eine Brücke, ein Moment der Aufrichtigkeit überkommt ihn ...

Natalia Ginzburg, geboren 1916 in Palermo als Natalia Levi, entstammte einer bekannten jüdischen Familie aus Triest. Im Alter von 17 Jahren veröffentlichte sie bereits ihre erste Erzählung, mit 22 heiratete sie Leone Ginzburg, der im italienischen Widerstand arbeitete und 1944 im Gefängnis starb. Seit dem Kriegsende Mitarbeit beim Einaudi-Verlag. Heirat mit Gabriele Baldini, einem Dozenten für englische Literatur, Freundschaften mit Cesare Pavese, Elsa Morante, Italo Calvino und anderen.

Natalia Ginzburgs Werk, das geprägt ist durch die Erfahrung des Faschismus, zeichnet sich durch die gnadenlose Analyse der gescheiterten menschlichen Beziehungen in einer nüchternen Sprache aus und ist immer auch autobiografisch. Mit ihrem bekanntesten Roman "Lessico famigliare" ("Familienlexikon") gewann sie 1963 den "Premio Strega". Das Hauptwerk Natalia Ginzburgs ist aber nicht nur das komische Porträt ihrer Familie, sondern zugleich ein Porträt Italiens. Am 7. Oktober 1991 starb Natalia Ginzburg - eine der bedeutendsten italienischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts.

Gestaltung: Stefanie Zussner
Präsentation: Nicole Dietrich

Service

Aus: Natalia Ginzburg, "Valentino". Ein Roman und fünf Erzählungen. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Wagenbach Verlag, 1997

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