Florian Teichtmeister

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Florian Teichtmeister über Arthur Schnitzler

"Was die Seele durcheinander rüttelt". Anlässlich des 90. Todestages des Chronisten der Wiener Gesellschaft um 1900 stellt der Schauspieler Florian Teichtmeister seine Lieblingspassagen aus dessen Werken vor

In "Professor Bernardi" wird die Geschichte eines idealistischen Arztes erzählt, möchte ich wertfrei sagen, der durch sein Eintreten für das friedliche Sterben einer Patientin alles zu geben bereit ist und am Schluss auch alles verliert, außer wahrscheinlich seiner Würde. Es gibt eine sehr berühmte Szene, in der das leitende Gremium des Krankenhauses zusammentritt, um über die Nachfolge einer vakanten Stelle zu beraten. Im Zuge dieser Szene verliert Professor Bernardi tatsächlich die Leitung seines eigenen Krankenhauses.

Sein Gegenspieler ist Doktor Ebenwald, ein antisemitischer, sehr gut vernetzter junger Arzt, der in einer Wortmeldung, die von einer ganz grausamen Kälte ist, seine Macht demonstriert, indem er seine Meinung hinter der Meinung vieler anderer Leute versteckt. Ein rhetorisches Mittel, das bis heute allerorts und überall zu sehen ist, leider. Ebenwald sagt:

"Es gibt halt viele Leute, die es nicht richtig finden, daß in einem Institut, wo ein Prinz Kurator ist und ein Bischof, und wo statistisch fünfundachtzig Prozent der Patienten Katholiken sind, die behandelnden Ärzte zur überwiegenden Anzahl einer anderen Konfession zugehören. Das macht nun einmal böses Blut in gewissen Kreisen.
Also, jetzt stellen Sie sich vor, meine Herren, es kommt ein guter Freund zu einem und sagt einem: Du, das wird auffallen, daß ihr ins Elisabethinum schon wieder einen Juden wählt, besonders jetzt nach dem peinlichen Vorfall, von dem schon ganz Wien spricht. Und es könnte euch passieren, daß das Parlament über euch herfallt. Ja, meine Herren, finden Sie es gar so tadelnswert, wenn man da zum Direktor geht, wie ich's getan habe, und ihm sagt, nehmen wir doch lieber den Hell, der ja schließlich auch kein Hund ist, um eventuellen Unannehmlichkeiten zu entgehen."

Antisemitismus ist immer wieder ein Thema bei Schnitzler, weil er ja als Diagnostiker seiner Umgebung sehr genau und sehr mutig dahin geht, wo's weh tut, und wo seiner Meinung nach die Verwerfungen liegen. Und gerade zu dieser Zeit und für ihn selbst, als Jude, ist das natürlich ein ganz großes Thema. Dass es hier in diesem Fall und im "Bernardi" gar nicht so als radikal polternder Antisemitismus daherkommt, sondern als Möglichkeit, Seilschaften zu schmieden und gemeinsam schlechte Witze über die anderen zu machen, das macht es eigentlich gefährlicher als den direkten, brutalen Antisemitismus, der danach überall sichtbar wird.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert/1797 - 1828
Album: THE FRANZ SCHUBERT COLLECTION VOL.3
* Andante - 2.Satz (00:06:37)
Titel: Quintett für Klavier und Streicher in A-Dur op.posth.114 DV 667
Klavierquintett
Populartitel: Forellenquintett
Ausführende: Haydn Trio Wien
Ausführender/Ausführende: Heinz Medjimorec /Klavier
Ausführender/Ausführende: Michael Schnitzler /Violine
Ausführender/Ausführende: Walther Schulz /Violoncello
Solist/Solistin: Atar Arad /Viola
Solist/Solistin: Ludwig Streicher /Kontrabaß
Länge: 06:37 min
Label: Teldec 0630145392

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