Jenny Holzer vor "Inflammatory Wall"

APA/AFP/ANDER GILLENEA

Radiokolleg - Positionen in der Kunst

Mike Kelley, Jenny Holzer, Jean Michel Basquiat, Franz West (2). Gestaltung: Christine Scheucher, Thomas Mießgang

Texte als Kunst
Die Konzept- und Installationskünstlerin Jenny Holzer
Wenn man an die Kunst von Jenny Holzer denkt, dann fallen einem zuerst ihre ´Truisms` ein - zu deutsch etwa: Binsenweisheiten. Es sind pointierte Einzeiler mit häufig mehrdeutigen Aussagen zu allgemeinmenschlichen Sachverhalten: "Abuse of power comes as no surprise" (= Machmissbrauch kommt nicht überraschend) oder "Protect me from what I want" (= Beschütze mich vor dem, was ich will).

Schon in ihrer Studienzeit an der Rhode Island School of Design hatte die 1950 in Ohio hatte die 1950 in Gallipolis/ Ohio geborene Künstlerin begonnen, solche Allgemeinplätze zu sammeln und im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Am Beginn ihrer Karriere verbreitete Holzer die ´Truisms` über anonyme Poster an Gebäuden, Mauern und Zäunen in Lower Manhattan, später auch über andere Medien wie LED-Leuchtbänder, Aufkleber, T-Shirts und das Internet. Bis zum heutigen Tag sind zwischen 250 und 300 solcher Epigramme entstanden, die jedoch niemals in einem gemeinsamen Werk vereint waren, sondern in verschiedenen Versionen existieren.
Die wohl aufwändigste Präsentation der ´Truisms` fand 1982 auf dem "Spectacolor Lightbord" am New Yorker Times Square im Rahmen des Künstlerprojektes "Messages to the Public" statt.
Jenny Holzer hatte ihre künstlerische Laufbahn eigentlich als abstrakte Malerin begonnen, eine Passion, zu der sie in den Nullerjahren wieder zurückkehrte. Doch ins allgemeine Bewusstsein haben sich ihre Konzept- und Installationsarbeiten eingeschrieben, die oft den Charakter von "Anti-Memorials" gegen Krieg und Nationalsozialismus annahmen. "Meine Arbeiten handeln von allgemeinen Themen wie Frieden, Krieg, Sex, Grausamkeit, Tod, Mutterschaft, Vertrauen, Spaß und Gerechtigkeit." hat Jenny Holzer in einem Interview einmal gesagt. "Ich ziehe es vor, dass meine Kunst nach allen Seiten offen ist und sich nicht auf einen konkreten Zeitraum oder ein Ereignis beschränkt."
Eine Ausnahme von dieser Regel war der Lustmord-Zyklus im Jahr 1993 der sich explizit auf die Morde und Vergewaltigungen während des Bosnien-Krieges bezog.
Diese Texte waren auch das ästhetische Rückgrat für spätere großformatige Arbeiten wie die widerständige ´Überschreibung` des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig.
Das Werk Jenny Holzers will die Betrachter nicht belehren, sondern nur das zeigen, was der Fall ist. Es ist eine Kunst des interesselosen Wohlgefallens, die keine Antworten gibt, aber wichtige und richtige Fragen provoziert. Wenn die mittlerweile längst als Weltkünstlerin anerkannte Kapitalismuskritikerin im Reichen-Retreat Gstaad das Palace Hotel mit dem Slogan "Money creates Taste" bespielt, stellt sich allerdings Zweifel ein, ob damit die gewünschte subversive Wirkung zu erzielen ist. Aber solche Balanceakte machen eben die Kunst der Jenny Holzer aus, die immer dann am besten ist, wenn sie sich einer unauflösbaren Ambivalenz verschreibt.
Gestaltung: Thomas Mießgang

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