Gedanken für den Tag

16. November 2021, 06:56

Markgraf Leopold III., der Heilige, ist der Landespatron von Wien und Niederösterreich, und er ist wie von allen anderen Leopoldines und Leopolds auch einer meiner Namenspatrone. Mein Großvater war stolz darauf, auf den Namen dieses Heiligen getauft worden zu sein. Warum eigentlich? Einer der wohl berühmt-berüchtigtsten Sätze der jüngsten österreichischen Geschichte und Innenpolitik lautete: "Wo war mei Leistung?" In der heutigen Meritokratie sollten Amtsträger, Herrscher, Leiter oder Führungspersonen gemäß ihrer Verdienste, ehrlich erworbener Zeugnisse und Leistungen gewählt werden.

Worin bestand also die herausragende Leistung des heiliggesprochenen Leopolds? Er hat Ordnung geschaffen! Indem er die Augustiner Chorherren und vor allem den Orden der Zisterzienser, das sind reformierte Benediktiner, in sein Herrschaftsgebiet geholt hat. Mönche, deren Ordenstracht, eine schwarze Arbeitsschürze über weißem Habit, bereits ausdrückt, dass sie sich bei der Ausübung ihrer seelsorgerischen Pflichten die Hände und Kutten schmutzig machen sollten.

Leopolds Sohn, der Bischof und Historiker Otto von Freising, war einer von ihnen. Leopold hat Stifte und Klöster wie Klosterneuburg, Heiligenkreuz und Klein-Mariazell gegründet. Spätere historische Entwicklungen überlagern die eigentliche Bedeutung seines Tuns. Leopold hat modern ausgedrückt sehr viel Geld in die Hand genommen und ein Infrastrukturprogramm gestartet. Er hat eine Handvoll Zivilingenieure in sein Schwellenland geholt. Und mit ihnen ihre Skriptorien, Schreibstuben und Bibliotheken.

Leopolds Leben und Nachwirken von 1073 bis zirka 1350 ist in der Leopoldichronik, der Chronica pii Leopoldi, niedergelegt. Aus seiner Amtszeit stammen die ersten deutschsprachigen literarischen Zeugnisse aus dem österreichischen Raum, namentlich von Heinrich von Melk und Ava von Göttweig, einer der ersten überlieferten deutschsprachigen Dichterinnen überhaupt. Leopold hatte verstanden, dass ein Land ohne Erinnerung keine Zukunft haben konnte, also ließ er seine Gegenwart niederschreiben. Er gab damit sich und Österreich einen Platz auf den Landkarten und in der Geschichte.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler