Hubert Gaisbauer

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Gedanken für den Tag

"Trutznachtigall - Gedanken über Friedrich Spee von Langenfeld" von Hubert Gaisbauer, Autor und Kulturpublizist

"Das allergrößte Übel in der Welt ist das Gerücht." Dieser Satz wird dem Jesuitenpater Friedrich Spee zugeschrieben, und der könnte ihn vor ungefähr vierhundert Jahren auch tatsächlich so gesagt haben. Der junge Priester hatte damals nahezu hautnah erfahren, wie Gerüchte und hinter vorgehaltener Hand verbreitete Bezichtigungen die Ursache jener mörderischen Unmenschlichkeit waren, die um und nach 1600 in Deutschland die Luft verpestete.

Seine Erfahrungen hat er niedergeschrieben in der berühmten und schonungslos offenen Streitschrift mit dem Titel "Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse". Pater Friedrich Spee war eine der wirksamsten Stimmen, die sich damit auch gegen die Obrigkeiten seiner Zeit erhoben hatten.
Aber Gerüchte und Verdächtigungen sind unausrottbare Viren, und zu jeder Zeit ansteckend wie vor vierhundert Jahren. "Sie haben heute ihren Ursprung in Neid, Verdächtigungen, vorschnellem Urteil und in unglaublicher Schwatzhaftigkeit", schreibt Friedrich Spee.

In einem Kommentar zu dem Adventlied "O Heiland reiß die Himmel auf", das Friedrich Spee vor 400 Jahren gedichtet hat, schreibt ein bekannter deutscher Journalist, "Spee hat es nicht bei Forderungen an den himmlischen Heiland belassen; er wurde zum Widerständler, zum Whistleblower des 17. Jahrhunderts".

Dass sein Vorbild in unsere Zeit wirken kann, zeigt das Canisius-Kolleg der Jesuiten in Berlin. Seit 2016 gibt es dort alljährlich die Verleihung des Friedrich-Spee-Preises an eine Schülerin oder einen Schüler, die in ihrem Alltag hingeschaut haben, statt wegzuschauen; die gegen Unrecht gesprochen haben, statt zu schweigen. Im Canisius-Kolleg in Berlin hatte 2010 die Aufdeckungswelle der Missbrauchsfälle in Deutschland begonnen. Angestoßen wurde sie durch einen mutigen Jesuiten. 400 Jahre nach Friedrich Spee.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: John Dowland 1810-1881
Bearbeiter/Bearbeiterin: David Warin Solomons
Album: Hallgató; Schostakowitsch, Barber u.a. / Keller Quartett, F.Snétberger
Titel: Flow, my tears - für Gitarre und Violoncello
Solist/Solistin: Ferenc Snétberger
Ausführender/Ausführende: László Fenyö
Länge: 03:38 min
Label: ECM Records 2653/3519395

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