UMJ/ALTE GALERIE
Radiokolleg - On the road mit Joseph II
So sah Österreichs Monarch das Europa seiner Zeit (4)
Gestaltung: Günter Kaindlstorfer
23. Dezember 2021, 09:30
Er war - in heutigen Worten ausgedrückt - der eindeutig progressivste Habsburger aller Zeiten: Erzherzog Joseph von Österreich-Lothringen, besser bekannt als Kaiser Joseph II. Fünfundzwanzig Jahre lang herrschte der aufgeklärte Absolutist als "wohlwollender Despot" über das Habsburgerreich, zunächst fünfzehn Jahre lang gemeinsam mit seiner Mutter Maria Theresia, dann zehn Jahre lang - von 1780 bis 1790 - alleine. In dieser Zeit setzte Joseph II. eine Reihe von bahnbrechenden Reformen durch. Dazu gehörten die Abschaffung der Todesstrafe und der Folter, die Aufhebung der Leibeigenschaft und erste wichtige Schritte in Richtung freier Religionsausübung für Juden und Protestanten.
Joseph II. war kein Freund des höfischen Zeremoniells. So oft er konnte, floh er den Wiener Hof und unternahm ausgedehnte Reisen in ganz Europa. 50.000 Kilometer legte der Kaiser im Laufe der Jahre zurück. Nach Sizilien, Amsterdam und Le Havre führten ihn diese Expeditionen, nach Petersburg, Paris und auf die Krim. Joseph II. nutzte seine Reisen nicht nur, um außenpolitische Kontakte zu pflegen, sondern auch, um seinen Horizont zu erweitern und praktische Forschungen anzustellen. Wohin der älteste Sohn Maria Theresias auch kam, er besuchte Waisenhäuser, Spitäler und Schulen, Gefängnisse, Kasernen und Werften, aber auch Gemäldesammlungen und Theater - und nicht zuletzt die elenden Behausungen der Armen. In der Festung Spielberg in Brünn ließ sich der Monarch im Sommer 1766 einige Stunden lang einkerkern, um die Lebensbedingungen der Strafgefangenen am eigenen Leib zu verspüren. Joseph II. nahm das alles auf sich, um das Leben der einfachen Menschen kennenzulernen - und nach Möglichkeit zu verbessern.
Die Autorin Monika Czernin hat sich intensiv mit Joseph II. und seinen Reisen auseinandergesetzt - und ein lesenswertes Buch zum Thema vorgelegt. Eine ihrer zentralen Thesen: Die Reformpolitik des Kaisers - etwa durch die Gründung des "Allgemeinen Krankenhauses" in Wien - habe eine Revolution nach französischem Muster in den habsburgischen Landen verhindert.
Das "Radiokolleg" begleitet Seine Majestät auf vier seiner wichtigsten Exkursionen: Nach Böhmen und Mähren (1771), nach Schlesien (1769), ins vorrevolutionäre Paris (1777) - und zu Katharina der Großen auf die Krim (1787).
Service
Monika Czernin: "Der Kaiser reist inkognito - Joseph II. und das Europa der Aufklärung", Penguin-Verlag, München, 384 Seiten
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